Wer heimlich küsst, dem glaubt man nicht (German Edition)
Quahog-Prinzessin. Das würde ich ja wohl kaum machen, wenn ich glaubte, dass ich es nicht wert sei.
Natürlich war es unmöglich, einzuschlafen, während mir solche Gedanken im Kopf herumgingen, aber irgendwann muss ich wohl doch eingedöst sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, fiel strahlendes Sonnenlicht in mein Zimmer und Sidney van der Hoff beugte sich über mich. »Wach auf, Katie. Aufwachen!«
Ich richtete mich kerzengerade auf, worauf mir sofort schwindelig wurde. Stöhnend sank ich wieder zurück.
»Oh Gott!« Sidney setzte sich neben mich aufs Bett. »Was hast du? Du siehst aus wie ein aufgewärmter Quahog-Eintopf. Ist das Pickelcreme in deinem Gesicht oder … ? Oh, es ist bloß Zahnpasta. Gott, Katie. Du gehörst sofort unter die Dusche!«
»Sidney.« Ich hätte mir am liebsten ein Kissen übers Gesicht gelegt, wusste aber genau, dass das nichts helfen würde. Sie würde nicht weggehen, und es würde auch nichts von dem, was passiert war, ungeschehen machen. »Das gestern Abend … also, was du da gesehen hast, das ….
»Ja … Das war echt ein ganz schöner Knaller«, sagte Sidney, die ihre blonde Löwenmähne mit einem weißen Haarband gebändigt hatte. Sie trug eine weiße Bluse zu Jeans mit pinkfarbenen Pailletten auf den Taschen, rosa Flipflops und einer Hobo-Tasche von Mark Jacobs. Für ihre Verhältnisse war das Outfit erstaunlich sportlich. Was hatte das zu bedeuten? War das der Look, den sie ausgewählt hatte, um ihrer besten Freundin die Freundschaft zu kündigen? »Ich habe dich seit gestern Abend ungefähr fünfzig Millionen Mal angerufen. Hast du meine Nachrichten nicht bekommen?«
»Das Handy war ausgeschaltet«, gestand ich ihr. »Sag mal, wie bist du reingekommen? Sind meine Eltern nicht längst im Büro?«
»Liam hat mir aufgemacht.« Sidney begutachtete kritisch ihre Nagelhäutchen. »Er war gerade auf dem Weg zum Probetraining. Gott, der Arme ist total aufgeregt! Hoffentlich lässt er den Ball nicht fallen. Also: Erzählst du mir jetzt, was das gestern zu bedeuten hatte, oder muss ich es aus dir rausquetschen?«
»Oh Gott, Sidney …«, stöhnte ich. Wie sollte ich mich nur aus diesem Schlamassel herauslügen? Mir fiel keine einzige Erklärung ein, die irgendwie beschönigen könnte, dass ich ein Mädchen war, das seinen Freund ausgerechnet mit dessen Todfeind betrogen hatte.
Falls man beim Küssen von Betrug reden konnte, was es – wie mir schwante – wohl war. Irgendwie.
»Gestern bin ich nur deswegen noch mal beim Gulp vorbeigefahren, weil Dave bei seiner Großmutter war und ich mich gelangweilt habe«, erzählte Sidney, bevor ich etwas sagen konnte. »Ich dachte, dass Seth dich wie immer abholt und ihr bei ihm im Wagen sitzt, und wollte euch fragen, ob ihr Lust habt, noch schnell was bei Dairy Queen zu holen und euch mit mir an den Pier zu setzen. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass ich dich knutschend mit einem anderen Typen erwischen würde.«
Jetzt konnte ich doch nicht mehr anders, griff nach einem Kissen und drückte es mir aufs Gesicht, weil ich mich so sehr schämte.
Wobei ich nicht weiß, ob Scham das richtige Wort ist. Denn als Sidney vom Küssen sprach, kehrte plötzlich die Erinnerung daran zurück, wie weich Tommys Lippen gewesen waren, und ich lief rot an. Allerdings weniger aus Scham darüber, dass Sidney uns erwischt hatte, sondern eher deswegen, weil sie sich wirklich unglaublich gut angefühlt hatten.
»Schrecklich, ich weiß«, stöhnte ich ins Kissen. »Ich habe keine Ahnung, was über mich gekommen ist! Ich konnte nichts dagegen tun! Er sieht einfach so … so wahnsinnig gut aus!«
Zu meiner Überraschung blieb Sidney ganz ruhig. Das erstaunte mich, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie als Freundin eines Quahogs und zukünftige Prinzessin und Repräsentantin der Stadt bereit war, Tommy Sullivan zu verzeihen.
»Habe ich dir einen Vorwurf gemacht?«, fragte sie. »Nein! Ich verstehe vollkommen, dass du schwach geworden bist. Aber was ist mit Seth? Was machst du, wenn er es herausfindet? Du weißt, wir wohnen in einer sehr kleinen Stadt …«
Ich war mir nicht sicher, ob ich mich nicht verhört hatte. Also nahm ich das Kissen vom Gesicht und fragte: »Moment mal … Hast du gerade gesagt, dass du mich verstehst?«
»Na klar.« Sidney grinste. »Hallo? Der Typ sieht aus wie ein junger Gott. So einem kann man gar nicht widerstehen. Da wäre ich auch schwach geworden, das kannst du mir glauben.«
Mir ging das Herz auf.
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