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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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Zucchini, Auberginen und zwei Kilo sonnenreife Tomaten für ein rustikales Ratatouille. Außerdem je ein Bund Rosmarin und Thymian sowie als speziellen Frühlingsgruß für Constanze, die samstags gern länger schlief, einen großen Strauß Tulpen für den Küchentisch. Er hatte sich vorgenommen, das Wohnzimmer mit den Brandenburgischen Konzerten zu erfüllen, in der schwungvollen, geradezu rasanten Interpretation eines jungen japanischen Orchesters, und anschließend in der sonnendurchfluteten Küche die Poularde sanft mit französischem Meersalz einzureiben, sie mit Kräutern und geviertelten Zitronen zu füllen, während die verschlafene Constanze selbstvergessen an ihrem Milchkaffee nippen und ansonsten wie eine zufriedene Katze ins warme Vormittagslicht blinzeln würde. Es hätte einmal mehr so kommen können, wie es oft schon gewesen war: ein perfekter Vormittag.
    Der blaue Brief des Verlagsvorstandes jedoch verhagelte ihm nicht nur das Mittagessen, sondern den gesamten Tag. Van Harm schlich nach oben, legte Constanzes Zeitung auf dem Küchentisch ab und begab sich dann so leise wie möglich in sein Arbeitszimmer. Entgegen seiner Gewohnheit, der desinteressierten Familie zu zeigen , dass er arbeitete, schloss er heute die Tür hinter sich, ließ das Kündigungsschreiben auf die Schreibtischplatte sinken und tat nichts. Eine Stunde lang, vielleicht zwei. Er sah nicht auf die Uhr, denn angesichts der Leere, die der Brief in ihm erzeugt hatte, war es sinnlos, auf die Zeit zu achten. Und dann war plötzlich die Angst da, und sie wurde umso stärker, je länger er dasaß und tatenlos vor sich hinstarrte. Und sie wurde noch größer, je weiter er seine Gedanken kreisen ließ: um die Abzahlung der Wohnungsraten, um das Studium der Kinder, das in vier, fünf Jahren finanziert werden wollte, ja sogar um die Rente, um die zig Versicherungspolicen, die bedient werden mussten. All die unangenehmen Themen, die irgendwo zwischen Wirtschaftsteil und den Innenpolitikseiten verhandelt wurden. Und um die er sich gedrückt hatte, oft naserümpfend, weil sie ihm ordinär und vulgär-materialistisch erschienen waren. Weil sie genau jene kulturlosen, ungebildeten, in schlechtem Deutsch laut polternden Politiker nach sich zogen, die er als Mann des Geistes und der Kunst verachtete. Themen, die einen ganz bestimmten Menschenschlag anzuziehen schienen, so wie auf einem Hundehaufen auch immer die großen, grünlich schimmernden Fliegen saßen.
    Als van Harm Constanze gegen Mittag aus dem Schlafzimmer in die Küche schlurfen hörte, faltete er das Schreiben sorgfältig zusammen und legte es in die untere Schreibtischschublade, an die aber, da war er sich sicher, sowieso niemand gehen würde. Eigentlich versteckte er den Kündigungswisch mehr vor sich selbst: aus den Augen, aus dem Sinn. Aber was normalerweise klappte, funktionierte diesmal nicht.
    Er ging in die Küche, wo Constanze von ihrer Zeitung hochschaute und ihn fragend ansah.
    »Ich kann heute nicht auf den Markt, Conny.«
    »Oh, na klar. Du musst ja auch nicht. Dann geh’n wir nachher raus, was essen. Ganz in Ruhe. Die Kinder sind sowieso nicht da. Alles in Ordnung bei dir?«
    »Weiß nicht, der Magen vielleicht. Wo sind denn die Kinder?« Van Harm begab sich zu dem antiken Eichenwandschränkchen mit Perlmuttintarsien, das neben einigen ausgesuchten Essigen und ersten Ölpressungen auch seine Grappa-Vorräte enthielt. Er nahm eine angebrochene Halbliterflasche und schenkte sich einen Fingerbreit in ein Wasserglas, während Constanze ihn schweigend beobachtete und erst auf seine Frage einging, nachdem er den Schnaps in einem Zug geleert hatte.
    »Die beiden sind bei Freunden, schon seit gestern Abend. Geht’s dir wirklich gut? Soll ich dir einen Tee aufbrühen? Fenchel vielleicht oder Anis?«
    »Ich danke dir, aber lass gut sein. Ich nehme lieber noch einen hiervon«, er hob die Flasche leicht an, »und dann wird sich alles wieder beruhigen. Möglicherweise liegt es an der E-Mail, die gerade reingekommen ist.«
    »Ja? Welche E-Mail?«, fragte Constanze.
    »Nichts Aufregendes eigentlich. Nein, glaub mir: nichts! Kein Grund, sich zu sorgen, denn …«
    »Sorgst du dich denn?«, fiel ihm Constanze ins Wort.
    » Nein! «, tönte van Harm etwas zu laut. Etwas zu energisch, wie er selbst fand, und deshalb fuhr er betont sanft fort: »Es geht nur ums Büro. Die haben immer noch keine Ersatzräume für die Redaktion gefunden, was bedeutet, dass ich einen weiteren Monat von zu Hause

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