Wer im Trueben fischt
diese Nummer zu wählen. Kalle blieb die Ruhe selbst, während Emma vom immergleichen Wortlaut schon der Kopf brummte. Nach den 13-Uhr-Sendungen wurde es ruhiger, gegen 14 Uhr verstummte das Telefon. Der Techniker fuhr den Sendemast ein. Emma lief zum Bratwurststand vor dem Alten Museum. Sie hatte so einen Heißhunger, dass sie sich den Mund verbrannte.
Als sie zum Wagen zurückging, taumelte sie vor Müdigkeit. Das Adrenalin hatte sie wach und konzentriert gehalten, jetzt sackte nach der Anspannung ihr Kreislauf in den Keller. Kalle streckte den Kopf aus dem Wagen, in der Hand hielt er das Handy. Nicht noch eine, dachte Emma. Eine Jugendwelle im Saarland, die noch was für das Nachmittagsprogramm brauchte und wissen wollte, was los war in Berlin, aber bitte schön locker? Emma griff nach dem Telefon. Ihr war übel, die fette Bratwurst, das erste Essen nach einem Käsebrötchen aus der Senderkantine heute Morgen, schlug ihr auf den Magen.
Es war Schneider.
»Das lief alles gut heute. Äh, ich meine, das hast du ganz gut gemacht. Professionell.«
Ich bin ja auch ein Profi, dachte Emma. Sagte nichts. Sie hörte die Redaktion im Hintergrund, Telefonklingeln, Stimmen, ein Hund bellt. Ein Hund? Ach nein, der war hier bei ihr am Wagen. Ein gelbbrauner Köter, ein Mädchen in Springerstiefeln pfiff, er lief zu ihr.
»Was?«
Sie musste sich zusammenreißen.
»Du sollst schlafen gehen.«
»Ja.«
Sie kaute auf ihrer Lippe. Kalle rollte langsam die Kabel zusammen, er hörte zu.
»Was bringt ihr heute noch über die Sache?«, fragte sie.
»Na, das von dir, Bente und den Nachruf noch mal von Ernst. Das reicht für heute«, sagte Schneider.
Seine Stimme klang erleichtert, als wäre ihm das Lob gerade schwergefallen und er wäre froh, es hinter sich zu haben.
»Du kannst dir die Sachen morgen anhören. Wir reden in der Sitzung.«
»Gut«, sagte sie. Aber sie war jetzt schon so langsam, dass Schneider aufgelegt hatte.
Kalle streckte die Hand nach dem Hörer aus.
»Alles okay?«
Sie nickte, wollte nur noch nach Haus. Aber als Kalle nach der Tastatur griff, um den Computer runterzufahren, bat sie ihn, noch einen Augenblick zu warten.
»Na, dann geh ich noch mal eben austreten. Bis gleich.«
Kalle steuerte das Universitätsgebäude an. Emma klickte auf das Internet-Symbol und gab »Martha Steiner« in die Suchmaschine ein. Über 1000 Treffer. Sie grenzte ein mit dem, was sie wusste, Berlin, Stiftungsrat. Nur noch 15 Treffer. Sie stützte einen Moment ihren Kopf auf die Arme und rieb sich die Augen. Sie trank den letzten Schluck kalten Kaffee aus Kalles Pappbecher und verzog das Gesicht, als der halbaufgelöste Zucker süß zwischen ihren Zähnen knirschte.
Die Einträge über Martha Steiner handelten fast alle von ihrer Arbeit im Stiftungsrat. Meist waren es nur Aufzählungen der teilnehmenden Personen. Einmal wurde sie als Ansprechpartnerin für ein Stipendium genannt, dort stand auch ihre Telefonnummer. In einer Onlineausgabe einer Architekturzeitschrift wurde das Haus beschrieben, in dem »Martha Steiner, Ehrenvorsitzende im Stiftungsrat der Universität«, Witwe des ehemaligen Finanzstadtrates Anton Steiner, das Dachgeschoss bewohnte.
»Das Panther-Haus im Hansaviertel war die Sensation der Interbau 57, ein Paradebeispiel für die Stadt von morgen. Das Dachgeschoss ist rundum verglast und von einer begehbaren Galerie umgeben. Es bietet einen fantastischen Blick auf den Tiergarten.«
Emma blickte suchend an der Rückwand des Transporters hoch, die bis an die Decke mit technischen Geräten vollgestopft war. Sie entdeckte keinen Drucker. Auf gut Glück tippte sie das Symbol auf dem Bildschirm an. Zu ihren Füßen ratterte ein kleiner Laserdrucker los und spuckte eng beschriebenes Papier aus.
»Na, das geht aber eigentlich nicht.«
Kalle war zurück und lehnte mit verkniffenem Mund an der Transportertür.
»Der ist für Mails aus der Redaktion. Und wenn’s schnell gehen muss, dann ist wieder kein Papier da.«
»Entschuldige.«
Emma bückte sich schnell und zog die bedruckten Blätter aus dem Gerät.
»Ich bin zu Hause noch nicht angeschlossen. Ein Notfall.«
Kalle brummte etwas und beobachtete Emma, die ihre Sachen aus dem Ü-Wagen sammelte.
»Soll ich dich vorbeifahren? Du musst doch total fertig sein.« Emma warf einen Blick auf den Boulevard Unter den Linden. Die Autos schlichen vorbei, vor der Kreuzung am Alexanderplatz staute es sich kilometerweit zurück.
»Nee danke, da bin ich zu Fuß
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