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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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schneller.«
    Kalle zuckte mit den Schultern, warf mit Schwung die Transportertür zu und setzte sich hinter das Steuer.
    »Na dann …«
    »Das hat super geklappt heut, fand ich«, sagte Emma noch.
    Aber der Techniker hatte schon den Motor angeworfen und wendete. Emma ging langsam Richtung Alex zu ihrer Wohnung. Unterwegs zog sie den verknitterten Briefumschlag mit dem Bonbonpapier heraus und warf ihn in einen Briefkasten.
    Ihre Tasche hatte sie gleich hinter der Wohnungstür fallen lassen. Schuhe und Jacke lagen wie Wegweiser auf der grauen Auslegeware im Wohnzimmer. Der Rest in einem Haufen vor dem Bett im hinteren Raum. Emma hatte die hellblau gemusterte Polyesterdecke heruntergezogen und ihr weißes Laken über die Matratze gelegt. Sie wühlte sich in ihr Kissen, bestickt mit Sternen und einem Halbmond, ein Geschenk von Helene zu ihrem achten Geburtstag.
    Emma wachte auf vom Geräusch eines Fernsehers und Rufen. Sie tastete nach ihrem Handy, es war vier Uhr. Sie hatte eine Stunde geschlafen.
    Mit bloßen Füßen lief sie ins Wohnzimmer. Das Fenster ließ sich nur auf Kipp öffnen, eine Vorsichtsmaßnahme im zwölften Stock. Unten brauste der Feierabendverkehr, Abgase strömten herein. Emma holte tief Luft.
    Plötzlich spürte sie eine Bewegung und fuhr herum. An der offenen Wohnungstür stand, zu Tode erschrocken, ein Mädchen. In der Hand hielt sie die Feder von Ida.
    »Du kleine …«
    Mit einem Schritt war sie bei dem Kind und griff nach seinem Arm. Das Mädchen schrie und versuchte sich zu befreien. Emma stieß mit dem Fuß die Wohnungstür zu. Sie stellte sich davor und ließ das Kind los.
    Die Kleine stellte sich mit dem Rücken zum Wohnzimmer in den Flur und beobachtete Emma. Einen Moment lang musterten sie sich gegenseitig. Emma merkte, dass ihr kalt war. Sie trug nur Unterhose und Hemd. Das Mädchen ging zum Tisch. Behutsam legte sie die Feder wieder auf dem Briefumschlag ab.
    »Ich wollte sie nicht klauen. Nur mal anschauen.«
    Ihre Stimme war unerwartet tief, fast rauchig. Emma schätzte sie auf acht Jahre. Vielleicht so alt wie Ida, wenn sich das auch immer schlecht vergleichen ließ. Sie war blond, etwas rundlich und trug ein rosa Ballerinakleid mit Hello Kitty auf der Brust.
    »Wie bist du hier reingekommen?«, fragte Emma streng.
    Hello Kitty ließ den Blick durch die Wohnung gleiten.
    »Wo hast du denn deine Sachen?«
    Emma machte einen Schritt auf sie zu.
    »Hör mal …«
    »Die Tür war auf. Ehrlich.« Das Mädchen redete jetzt schnell. »Vielleicht hast du sie beim Hereingehen nicht zugemacht?«
    Emma blieb stehen. Sie war erschrocken. Erinnerte sich, dass sie schon im Fahrstuhl eingeschlafen war. Ewig gebraucht hatte, bis der Schlüssel das Türschloss fand. Hat sie die Tür hinter sich zugestoßen? Vorsichtiger werden, dachte sie, du bist jetzt in einer Großstadt.
    »Und wie heißt du?«
    »Penelope.«
    Emma verkniff sich ein Lachen. Penelope spuckte ihren Namen aus wie ein altes Kaugummi.
    »Schöner Name.«
    »Beknackter Name. Wer schickt dir eine Feder?«
    »Ein Mädchen. Ungefähr so alt wie du.«
    Penelope schien über diese neue Information nachzudenken. Ganz langsam näherte sie sich mit ihrem Finger der Feder. Sie drückte die Spitze um und rieb mit ihrem Fingernagel darüber. Als sich erste feine Härchen lösten, schielte sie zu Emma. Die beobachtete sie, reagierte aber nicht. Da verlor Penelope das Interesse an der Feder. Sie kickte sie mit Daumen und Zeigefinger über den Tisch.
    »Kann das Mädchen schon lesen? Oder bis hundert rechnen?«
    Emma zögerte. Sagte dann:
    »Nein. Das kann sie nicht.«
    Penelope musterte sie.
    »Warum nicht. Ist sie plemplem?«
    Emma musste lächeln. Sie vermisste Ida so.
    »Ja.«
    Penelope nickte.
    »Ist ja auch bescheuert, eine Feder zu schicken.«
    Emmas Blick fiel auf das Handy auf dem Tisch.
    »Hör mal, schön dich kennen gelernt zu haben, aber jetzt muss ich telefonieren.«
    Penelope kratzte sich am Bauch, am linken Auge von Hello Kitty.
    »Geht klar.«
    Gleichmütig stapfte sie an Emma vorbei und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
    Emma nahm das Handy und suchte nach dem ausgedruckten Zettel in ihrer Tasche. Sie tippte die Nummer in das Telefon und wartete. Ein Windstoß wehte durch das offene Fenster und verursachte ihr eine Gänsehaut. Sie klemmte das Telefon ans Ohr, ging nach nebenan und schlüpfte in die Jeans.
    »Ja, bitte.«
    Fast wäre ihr das Telefon heruntergefallen.
    »Spreche ich mit Martha Steiner?«
    »Frau Steiner

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