Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
vergesse: die kleine schwarze Box. Sie liegt gut versteckt unter dem Fresspaket, das Herr Laack uns aufgedrängt hat, obwohl wir von dem Luxus-Frühstück echt pappsatt waren, selbst Luisa. Now or never. In meinem ganzen Leben war ich mir noch nie so sicher.
»Warte!«, rufe ich.
Aber Luisa ist bereits über alle Dünen.
Es dauert eine ganze Weile, bis ich sie endlich einhole. »Bist du gedopt?«
Luisa lacht. Sie wirkt glücklich, zufrieden, vollkommen entspannt. Der Streit letzte Nacht, die Drinks an der Minibar, der Austausch von Argumenten und später von Körperflüssigkeiten waren nicht nur erst schmerz-, dann liebevoll, sondern auch ein Türöffner für meine Gefühle.
Es hat lange gedauert, aber jetzt weiß ich, was ich will. »Ich liebe dich«, gestehe ich Luisa, als wir nebeneinander herrollen. Im Film würden spätestens jetzt die Streicher einsetzen oder Bill Withers Lovely day singen.
In der Realität platzt fast mein Trommelfell. Ich zucke zusammen, fahre beinahe in Luisa hinein, die gerade noch ausweichen kann. Wir bremsen und bleiben ineinanderverkeilt am Straßenrand stehen. Ein rotes Porsche-Cabriolet zuckelt hupend vorüber. Der Fahrer grinst. Ich will ihm schnell einen Kraftausdruck an den Kopf werfen, aber Luisa hält mich zurück. »Lass doch den Idioten«, brüllt sie gegen das Motorengeräusch an. Der Typ im rosa Hemd unter seiner Belstaff-Lederjacke zeigt uns den Mittelfinger. Über dem eingefahrenen Heckspoiler klebt ein Aufkleber mit zwei sich kreuzenden Säbeln. Das Nummernschild beginnt mit HH und endet auf 911.
Als wir eine Stunde später unser Etappenziel erreichen, sticht uns als Erstes der Porsche ins Auge. Luisa hatte am Morgen angekündigt, dass wir zu einer Strandbude radeln würden. Aber das hier ist dann doch mehr als eine Strandbude. »Sansibar«, lese ich auf einer Flagge, die vor einer verglasten Holzhütte im Wind weht. Über dem Schriftzug zwei gekreuzte Säbel.
»Ich habe hier einen Tisch für uns reserviert«, verkündet Luisa stolz. »Aber leider erst in zwei Stunden.«
»Warum leider? Ich könnte noch nichts essen.«
»Ich schon.«
»Hunger?«
»Ziemlich«, gibt Luisa kleinlaut zu und setzt ihr unschuldigstes Lächeln auf.
Ich gebe ihr das Lunchpaket. »Mit besten Grüßen von Herrn Laack.«
Luisa reißt es mir aus der Hand, öffnet die Tüte, holt ein Croissant heraus und beißt hinein. »Das habe ich jetzt echt gebraucht.«
»Verfressenes Ding.«
Luisa zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Seeluft macht hungrig.«
»Wie wär’s mit einem Verdauungsstrandspaziergang?«
»Schon wieder spazieren?«
»Wir könnten uns natürlich auch in einen Strandkorb fläzen.«
»Aber erst muss ich noch was erledigen.« Luisa blickt sich nach allen Seiten um. Dann zwinkert sie mir verschwörerisch zu.
»Was hast du vor?«
Luisa holt das zweite Croissant aus dem Lunchpaket und lockt damit die Möwen an. Dann tut sie so, als würde sie den Fuhrpark bewundern, verteilt aber das Croissant unauffällig im Innenraum des Porsche – ein Festmahl für die Ratten der Lüfte.
Ganz so unauffällig, wie ich hoffe, bleibt die Aktion aber leider nicht. »Hey!«, schreit plötzlich der Typ, der uns vorhin beinahe über den Haufen gefahren hätte. Vermutlich um sein wertvolles Eigentum zu überwachen, hat er sich mit einem Glas Champagner extra in Sichtweite des Wagens gesetzt. Jetzt stiert er zu uns herüber und deutet mit dem Finger auf Luisa. »Was machen Sie da?«
Mir rutscht das Herz in die Hose, aber Luisa bleibt ganz ruhig. »Nichts«, antwortet sie lässig, entfernt sich langsam und packt mich am Arm. »Los, schnell weg hier!« Wir rennen zum Strand. »Hoffentlich kacken sie ihm die Polster voll.«
»Luisa!«, sage ich mit gespielter Empörung. Tolles Mädchen, denke ich.
Von unserem Strandkorb aus haben wir die Umgebung gut im Blick. Mein Puls erhöht sich, als ein Polizeiwagen vor dem Restaurant hält. Ich stehe auf, will sehen, was Sache ist. Der Porsche-Typ hüpft wie Rumpelstilzchen durch die Gegend und versucht mit seinen Armen und Beinen die Möwen zu verscheuchen, die sich in seinem Sportwagen über das Festmahl hermachen.
Lachend verfolgt auch Luisa das Schauspiel auf dem Parkplatz. »Jetzt musst du mich heiraten«, kommentiert sie trocken.
»Wieso?«
»Weil du dann vor Gericht nicht gegen mich aussagen musst.«
»Du meinst …«
»Wenn es zu einem Prozess kommt.«
»Interessant«, sage ich. »Und du bist dir da ganz
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