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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Ich habe Angst. Wenn mich der Kerl nun vergewaltigt? Vielleicht ist das ein Perverser, der erst zufrieden ist, wenn er dich in kleine Stücke verarbeitet hat. Es ist dunkel und kalt, ich bin ganz alleine hier, und die männliche Silhouette rast auf mich zu. War echt nicht die beste Idee hierherzukommen. Ich schwenke nach links, weg vom Wasser. Der Mann ändert ebenfalls seinen Kurs und steuert weiter auf mich zu. Im trockenen Sand kann er nicht so schnell laufen. Soll ich wegrennen? Ich höre ihn schon keuchen. Klingt mehr nach untrainierter Couch-Potato als nach lüsternem Triebtäter. Aber dafür ist er ganz schön schnell. Ich bleibe stehen, balle die Fäuste und wappne mich gegen einen Angriff. Er kommt immer näher.
    Der Mann greift mich nicht an. Er überrennt mich einfach, sodass ich wie ein Baum nach hinten umfalle und er auf mir zu liegen kommt.
    »Luisa«, keucht er. »Wo zur Hölle warst du?«
    »Mark? Was machst du denn hier?«
    »Dich suchen! Ich hab mir Sorgen gemacht! Warum verschwindest du einfach mitten in der Nacht?« Mark keucht nicht nur vor Erschöpfung, er ist auch sauer. Stinksauer.
    »Ich musste nachdenken«, sage ich lahm.
    »So? Ich hab auch nachgedacht! Aber dafür gehen normale Menschen auf den Balkon und treiben sich nicht im Dunkeln alleine am Strand herum! Luisa, mach das nie wieder!«
    Ich habe mich geirrt. Mark ist nicht sauer. Vielleicht ein bisschen. Aber vor allem ist er verzweifelt. So habe ich ihn noch nie erlebt. Er legt die Arme um mich und zerquetscht mich fast. Ich spüre etwas Feuchtes an meiner Wange.
    »Sag mal, weinst du?«
    »Was?«
    »Ob du weinst?«
    »Nein.« Mark lässt mich los, setzt sich auf und reibt sich die verdächtig glänzenden Augen. »Mir ist Schweiß in die Augen gelaufen.«
    Lecker. Und gelogen.
    »Du hattest Angst um mich«, sage ich und höre selbst, wie erstaunt ich klinge.
    »Ich hatte Angst, dass du mich verlässt.«
    »Ich bin doch nur spazieren gegangen.« Das ist natürlich nicht ganz wahr. Aber Mark wirkt so ernsthaft entsetzt, dass ich keine Ahnung habe, wie ich auf den albernen Gedanken kommen konnte, seine Gefühle für mich hätten sich abgekühlt. Wenn er seiner Sprechstundenhilfe Schmuck schenken wollte, hätte er sicher keinen nächtlichen Sprint am Strand hingelegt, um mich zu suchen. Und er hätte nicht geweint. Da bin ich mir nämlich ganz sicher, auch wenn er es nicht zugibt: Ich habe Tränen gesehen. Er will mich vielleicht nicht heiraten, okay. Aber er liebt mich aufrichtig. Mehr kann ich doch nicht verlangen. »Ich verlasse dich doch nicht«, sage ich zärtlich.
    »Gut.« Mark lächelt zaghaft. »Ich brauche dich nämlich.«
    »Ich brauche dich auch.«
    Mit einem indignierten Blick bedenkt uns der Portier, als wir eng umschlungen zurück in die Lobby kommen. »Das ist also die Dame?«, fragt er in eigenartigem Tonfall. Ich komme mir vor wie Julia Roberts in Pretty Woman , wo der Geschäftsführer des Hotels sagt: »Und Sie sind sicher seine … Nichte?« Wahrscheinlich sehe ich auch etwas unpassend aus nach meinem Sandbad mit Mark.
    »Ja, das ist sie«, sagt Mark und drückt mich an sich. »Ich brauche einen Schnaps.«
    »Die Bar ist geschlossen.«
    »Aber Sie haben doch sicher einen Schlüssel?«, schalte ich mich ein. Dabei strahle ich ihn so gewinnend an, wie man eben gewinnend strahlen kann mit Sand in der Unterhose.
    »Ja, aber ich kann Ihnen nicht öffnen. Ich habe hier zu tun.« Laackaffe.
    »Dann gehen wir eben aufs Zimmer«, schlägt Mark vor. »In der Minibar müsste es alles geben, was wir brauchen.«
    In der Tat. Mark bekommt auf den Schreck ein Fläschchen Küstennebel, das er mit Todesverachtung hinunterstürzt. Ich den Bailey’s und Nussschokolade. Auf dem Balkon lehnen wir uns aneinander und schauen in die Dunkelheit. Leider sind keine Sternschnuppen zu sehen, nicht mal ein Stern. Nur der Mond leuchtet schwach durch die Wolken hindurch.
    »Schön ist es mit dir«, sage ich, und ich meine es auch so. Es war idiotisch von mir, mich von Mark trennen zu wollen. Alles wird gut werden mit uns beiden, da bin ich mir sicher. Und eigentlich ist es ja auch schon gut. Zumindest jetzt, in diesem Moment.
    »Hast du dir große Sorgen gemacht?«
    »Ja. Blöde Frage.«
    »Ich wollte es nur noch mal hören«, flüstere ich und kuschele mich an ihn.
    Mark
    Zum Frühstück nehme ich zwei Aspirin und einen Kaffee. Ich hätte bei unserer kleinen Versöhnungsfeier letzte Nacht vielleicht nicht die halbe Minibar leer trinken sollen. Wenn

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