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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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mit den Händen. Klar. Meistens endet es bei einem Kompromiss.
    Ich springe also auf und fuchtele, um die Möwen zu vertreiben, die soeben beschlossen haben, ihre Jahreshauptversammlung auf meinem Freund abzuhalten. Sie balgen sich um die Quarktasche. Es sind nur fünf Vögel, aber Mark schaut entsetzter drein als Tippi Hedren.
    »Mach die weg!«, kreischt er. Mit einer Hand schlägt er um sich, die andere steckt er in die Hosentasche. Männer. Nicht mal zur Selbstverteidigung kann man sie gebrauchen. Die Möwen fliegen trotzdem weg – aber nicht wegen meiner Bemühungen. Eher wegen des Schusses, der soeben gefallen ist.
    Mark lässt sich in den Sand fallen und ächzt. Den Schuss scheint er überhört zu haben, oder er erscheint ihm in Relation zu seinem Vogelerlebnis unwichtig. Mir nicht. Ich linse um den Strandkorb herum und schaue Richtung Parkplatz, wo sich gerade lautes Geschrei erhebt. »Mörder!«, schreit eine langhaarige Frau einen Polizisten an, der die Arme trotzig verschränkt hält. Vom Porschefahrer ist nichts mehr zu sehen. Der andere Polizist hantiert mit seinem Funkgerät. Auweia. Habe ich etwa mit ein paar Krümeln einen Mord verschuldet?
    »Mark!«
    »Hm.«
    »Wir müssen zum Parkplatz gehen, der Polizist hat jemanden erschossen!«
    »Dann hoffe ich, es hat den Porschefahrer getroffen.«
    »Bist du gemein! Komm jetzt!«
    »Auf keinen Fall, Luisa! Du hast die Krümel da hingestreut, am Ende hat uns der Typ doch gesehen und zeigt dich an.«
    Nervös knete ich meine Unterlippe, als die langhaarige Frau in unsere Richtung kommt. Sie trägt etwas in den Händen und schreitet würdevoll wie eine Hohepriesterin – sofern das im Sand überhaupt möglich ist. Etwa zehn Meter von unserem Strandkorb entfernt bleibt sie stehen und fängt an, ein Loch zu buddeln. Ich gehe zu ihr und sehe, wie sie eine tote Möwe beerdigt.
    »Entschuldigen Sie, was ist denn da vorne passiert?«
    »Ein Polizist hat einen Warnschuss in die Luft abgegeben, um Vögel von einem Auto zu vertreiben. Dabei hat er diese arme, unschuldige Möwe getroffen«, erzählt die Tierfreundin mit kleinen Schluchzkieksern in der Stimme. Sie wischt sich die Augen und wirft ihren Blondschopf zurück.
    »Ein Warnschuss? Wegen eines Autos?« Das finde ich jetzt doch etwas übertrieben.
    »Der Besitzer hat gedroht, ihn wegen Pflichtverletzung anzuzeigen. Der ist offenbar mit dem Bürgermeister oder Polizeichef oder so befreundet.«
    Oh. Ich bleibe wohl besser am Strand, bis der Porsche weg ist.
    Die Frau klopft mit ihren rot lackierten Fingernägeln den Sand auf dem Möwengrab fest, erhebt sich und tritt den Rückweg an. Aber vorher zupft sie noch ihren Pelzkragen zurecht.
    Irgendwie ist Sylt doch nicht meine Insel.
    Ich kehre zu Mark zurück, der immer noch im Sand sitzt und misstrauisch eine Möwe beobachtet, die völlig harmlos einige Meter weiter herumläuft. Die Polizistengeschichte ringt ihm wenigstens ein schwaches Lächeln ab. Dann richtet er sich halb auf, bleibt auf einem Knie sitzen, greift in seine Hosentasche und holt eine kleine schwarze Schachtel heraus. Stimmt ja, die Schachtel. Die hatte er doch eben schon in der Hand, bevor er von der gefiederten Luftwaffe angegriffen wurde. DIE Schachtel!
    »Luisa«, sagt Mark und wirft einen Blick über die Schulter zur Möwe, die sich keinen Zentimeter genähert hat.
    »Ja?«
    »Ich fand Heiraten immer blöd …«
    »Du bist echt ein Romantiker.«
    »Nein, jetzt hör mir doch erst mal zu!« Ein weiterer gehetzter Blick zur Möwe, die arglos herüberschaut.
    »Okay, dann sprich weiter.« Wieso fängt mein Herz auf einmal an, wie wild zu galoppieren?
    »Ich fand Heiraten immer blöd. Aber jetzt bin ich mit dir zusammen, und ich will, dass das so bleibt. Für den Rest unseres Lebens.«
    Allmählich dämmert mir, dass das hier ernst ist. Mark schenkt mir keinen Wir gehören doch eh zusammen -Herzanhänger. Es geht hier um einen Ring.
    Ich unterdrücke meine Aufregung und schaue Mark in Erwartung von vier ganz bestimmten Worten an. Monsieur hat aber seine Aufmerksamkeit wieder dem unsagbar gefährlichen Möwenviech zugewendet, das es gewagt hat, sich einen Meter zu nähern.
    »Mark?«
»Äh, ja.«
    »Mark, würdest du bitte die Möwe Möwe sein lassen? Die waren vorhin nur scharf auf die Quarktasche. Sie tut dir sicher nichts.«
    »Und wenn doch?«
    Genervt stehe ich auf und klatsche zweimal in die Hände. Die Möwe fliegt davon. Mark schaut mich verzückt an.
    »Luisa, du hast mich gerade vor einer

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