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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Frau?«
    »Meine Frau?«
    »Ja.«
    Ich muss kurz überlegen. Dann kapiere ich. »Luisa ist meine Frau. Zumindest die Frau, die ich liebe. Wir sind nur noch nicht auf dem Standesamt gewesen.«
    »So, so.«
    »Was soll ich tun?«
    »Ihr einen Antrag machen.«
    »Wollte ich doch.«
    »Aber?«
    »Nicht der richtige Ort.«
    Der Portier schnaubt beleidigt. »Ich darf Ihnen versichern, Herr …«
    »Schwarz.«
    »Herr Schwarz. In unserem Haus wurden schon sehr viele Anträge gemacht. Wir richten sogar Hochzeiten aus. Wenn Sie Interesse haben, rede ich gerne mit unserem Weddingplaner. Begnügen Sie sich doch so lange mit dieser wirklich sehr ausgezeichneten Broschüre.«
    Ich werfe einen kurzen Blick auf das grinsende Brautpaar – sie in einem Albtraum aus Spitze, er im glänzenden Anzug – und schüttle den Kopf. »Sie verstehen nicht. Luisa ist weg.«
    »Abgereist?«
    »Das frage ich Sie.«
    Der extrem hellhäutige Portier, Manfred Laack steht auf seinem Schildchen am Revers, ein älterer, blasierter Herr mit großer Nase, Halbglatze und Harry-Potter-Brille, tippt auf seiner Computertastatur herum. »Luisa Conte?«
    »Ja.«
    »Nein, bedauere. Keine Nachricht für Sie.« In seiner Miene ist keine Spur des Bedauerns zu entdecken.
    »Hat sie ausgecheckt?«
    »Nein.«
    »Das heißt …«
    »Dass sie noch hier ist.«
    »Ist sie aber nicht.«
    »Dann weiß ich auch nicht, wie ich Ihnen weiterhelfen kann.«
    »Sie könnten die Polizei verständigen.«
    Laack rümpft die Nase, sieht erst mich schief von der Seite an, dann das Zifferblatt seiner Uhr. Dann lächelt er, während er den Kopf schüttelt. »Um diese Uhrzeit?«, zieht er seiner Ablehnung das warme Jäckchen einer rhetorischen Frage über.
    Ich würde den Kerl am liebsten am Kragen packen und über den Empfang ziehen. »Hören Sie«, brülle ich aufgeregt, um ihn doch sofort wieder loszulassen.
    Dann stürze ich in die Nacht hinaus.
    Luisa
    Ein bisschen gruselig ist der dunkle Strand schon. Aber ein einziger Blick auf Mark und seine Einsamer-Wolf-Selbstinszenierung auf dem Balkon hat genügt, um davonrennen zu wollen. Jetzt muss ich erst mal den Kopf frei bekommen. Wie unsensibel ist der Typ eigentlich? Langsam spaziere ich die Wasserlinie entlang und denke nach. Will ich wirklich die nächsten fünf Jahre damit verbringen, auf einen Heiratsantrag zu warten? Nur um dann doch frustriert die Segel zu streichen, weil ich mir einen anderen Mann suchen muss, solange ich noch Kinder bekommen kann? Will ich überhaupt einen anderen Mann?
    Die Hochzeiten meiner Freundinnen waren wunderschön. Die Brautpaare sahen so glücklich aus. Abgesehen von Anna, die im dritten Monat schwanger war und nur die Suppe bei sich behalten konnte. Danach brachte ihr der Kellner ein Glas Gurken, an dem sie sich den Rest des Abends festhielt. Die Gurken passten zu ihrer Gesichtsfarbe. Das mag nicht so erstrebenswert sein, aber ansonsten scheint mir das Projekt Heiraten sehr sonnig.
    Mark dagegen hat bisher noch bei jeder Hochzeit gemotzt, die Musik sei ihm zu kitschig und die Blumendeko auch. So ist das nun mal. Wenn einer Frau etwas gefällt, findet der Mann es meist schon ins Unerträgliche übertrieben.
    In meinen Schuhen sammelt sich Sand an. Aber es ist zu kühl, um barfuß zu gehen. Außerdem zu dunkel. Als ich zehn Jahre alt war, bin ich an einem italienischen Strand in eine Glasscherbe getreten. Seitdem passe ich auf meine Füße auf. Allerdings sind die Strände auf Sylt geradezu penibel gereinigt im Gegensatz zu Rimini in den Achtzigern. Wahrscheinlich kommen morgens um sieben Uhr Arbeiter in Barbourjacken und Burberryschals hierher, um den Sand zu sieben.
    Missmutig stapfe ich weiter. Es hilft nichts: Ich will heiraten und eine Familie gründen, und das ist offenbar mit Mark nicht zu machen. Ich liebe Mark, aber meine Lebensplanung liebe ich auch. Und Mark hat mir schon lange nicht mehr gezeigt, dass ich ihm wichtiger bin als sein Job oder Barnie oder Fußball. Seine Gefühle für mich scheinen sich abgekühlt zu haben. Ich kehre um und schlage den Weg zurück zum Hotel ein. Meine Entscheidung ist gefallen. Gleich werde ich den Einsamen Wolf auf seinem Balkon aufsuchen und sie ihm mitteilen.
    Als die Lichter des Hotels in der Ferne auftauchen, sehe ich einen Jogger am Strand. Ganz schön sportlich, um diese Uhrzeit laufen zu gehen. Auch sein Tempo ist nicht gerade gemächlich. Er rennt wie von der Tarantel gestochen den Strand entlang. Auf mich zu. Allmählich wird mir das unheimlich.

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