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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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sicher?«
    »Tausendprozentig.«
    Ich greife, während sich Luisa weiter an Rumpelstilzchen ergötzt, in meinen Rucksack. Als ich die kleine Box bereits in meinen Händen spüre, klingelt das Handy.
    »Telefon«, macht mich Luisa überflüssigerweise darauf aufmerksam.
    »Kann warten.«
    »Und wenn’s wichtig ist?«
    Ich seufze, ziehe meine Hand aus dem Rucksack und halte das Handy ans Ohr. »Barnie«, sage ich gelangweilt. O Gott, Barnie, fällt mir plötzlich wieder ein. Seinen Anruf hatte ich in der Hitze des nächtlichen Gefechts völlig vergessen. »Alter Schwede«, schiebe ich fröhlich nach. »Was gibt’s?«
    »Mark.« Barnies Stimme nach zu urteilen, steht er kurz vorm Abgrund.
    »Nicht springen«, sage ich prophylaktisch.
    »Ich bin geliefert.«
    »So schlimm wird’s schon nicht sein.«
    »Was ist?« Natürlich schaltet sich Luisa in unser Männergespräch ein.
    Ich zucke mit den Schultern, während Barnie am anderen Ende der mobilen Leitung hörbar ein- und ausatmet. »Bist du noch dran, Barnie?«
    »Ja, schon, aber …«
    »Spuck’s aus, Bernhard.«
    Ich nenne Barnie nur zur Ablenkung Bernhard. Das habe ich seit fast zwanzig Jahren nicht mehr getan. Zum ersten und letzten Mal, wenn ich mich recht erinnere, als ich mich als sein neuer Stubenkamerad auf dem Internat vorstellte. »Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Bernhard«, waren ungefähr meine Worte. »Ich bin der Barnie«, hat der Freiherr von Denkwitz gleich gemeint. Seitdem sind wir ziemlich beste Freunde. Zwischen Männern kann das oft sehr schnell gehen.
    »Wann können wir uns treffen?« Es hört sich fast so an, als würde Barnie weinen.
    »Morgen Abend. Aber warum sagst du nicht einfach gleich, was los ist?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Komm schon, Barnie. Du bist doch sonst kein Feigling.«
    »Jetzt habe ich aber Angst.«
    »Wovor?«
    »Der Zukunft.«
    »Das heißt? Also konkret.«
    »Sitzt du, Mark?«
    »Moment.« Ich nehme wieder im Strandkorb Platz. Luisa hält ihr Ohr ganz nah an meines.
    »Also«, beginnt Barnie und seufzt. »Ich … werde … Wie soll ich’s sagen?«
    »Tu’s einfach.«
    »Okay. Ich werde Vater.«
    »Du wirst was?« Luisa und ich schauen uns völlig entgeistert an. Die Überraschung des Jahrtausends.
    »Vater«, wiederholt Barnie.
    »Das gibt’s nicht. Du verarschst mich.«
    »Wenn ich’s dir sage.«
    »Barnie wird Vater«, wiederhole ich für mich und Luisa, die schon wieder was zu essen in der Hand hält. Drei Sekunden später brechen wir in schallendes Lachen aus. Luisa kann sich überhaupt nicht mehr halten, lässt sogar im Überschwang der Gefühle ihre Quarktasche in den Sand plumpsen. Es dauert eine Weile, bis auch ich mich wieder beruhigt habe. Ich frage Barnie nach Einzelheiten. Der hat aber bereits aufgelegt. Bei meinem Rückruf habe ich nur das Vergnügen mit der Mailbox. »Hey Barnie«, spreche ich darauf. »Glückwunsch! Und keine Angst. Ich, also wir, Luisa und ich, stehen dir gern mit Rat und Tat zur Seite.« Ich muss auflegen, bevor ich Barnie auch noch auf die Mailbox lache.
    »Er hasst Kinder«, sagt Luisa ernst. Sie fischt die Quarktasche aus dem Sand und versucht selbigen wegzupusten.
    »Noch mehr als Beziehungskisten.«
    »Und du?«
    Ich muss nicht lange überlegen. »Ich möchte Kinder. Aber nur mit dir.« Jetzt oder nie. Ich hole die Box aus dem Rucksack, öffne sie, gehe vor Luisa auf die Knie, will den Ring herausholen und meine Freundin fragen, ob sie meine Frau werden will. Nur die Quarktasche stört mich. Erstens klebt der Sand hartnäckig an ihr, und zweitens möchte ich keiner kauenden Frau einen Heiratsantrag machen. Ich nehme sie Luisa aus der Hand. In diesem Moment stürzt plötzlich ein grunzendes, fiependes, hysterisches Möwengeschwader aus heiterem Himmel auf uns herab. Hitchcocks Vögel waren armselige Spatzen dagegen. Wir kauern uns auf den Boden. Einen Moment lang, glaube ich sogar, verdunkelt sich der Himmel. Luisa springt auf. Dann fällt ein Schuss!
    Luisa
    Wenn sehr viele Dinge auf einmal passieren, spüre ich immer einen Widerstreit in meiner deutsch-italienischen Seele. Die Deutsche in mir möchte einfach nur dasitzen und alles ignorieren, bis sich die Ereignisse artig in einer Reihe angestellt haben und bereit sind, nacheinander vorzusprechen. Die Italienerin sieht eine Gelegenheit, endlich mal mit aufgerissenen Augen so richtig lautstark einen Wortwasserfall loszulassen, der mit »Mamma mia!« beginnt und alles zugleich beschreibend darstellt. Dazu wildes Gefuchtel

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