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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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und Lilly aber ohnehin nicht verstanden. Sie schienen nicht viele gemeinsame Themen zu haben. Insofern hoffe ich, dass sich meine Zukünftige die Frau Staatsanwältin nicht gleich zum Vorbild nimmt und morgen mit dem Thema Kinder anfängt. Barnies Freundin ist auch wirklich nicht der Typ, mit dem man gleich warm wird. Sie ist sehr präzise und eher distanziert. Aber wahrscheinlich musst du so sein, wenn du Mörder und Vergewaltiger und Räuber hinter Gitter bringst. Wahrscheinlich darfst du dir bei so einem Schwurgerichtsprozess keine Ungenauigkeit leisten. Trotzdem glaube ich zu wissen, was Barnie an der Frau findet. Sie ist megaheiß, megaklug und ihr Humor megatrocken. Mich würde nur interessieren, wo er sie aufgegabelt hat.
    Der Taxifahrer sieht mich böse an, weil er an der Kurzstrecke zu mir nach Hause nicht viel verdient. Aber zurücklaufen können andere. Ich werde einfach weniger essen, dann verliere ich schon das eine oder andere Gramm. Es ist ja nicht so, dass ich fett wäre. Sonst würde mich Franziska auch nicht so anbaggern. Franziska steht nicht auf Dicke. Als Kind war sie nämlich selbst dick – bevor sie magersüchtig wurde.
    Als ich die Wohnungstür hinter mir schließe, räumt Luisa gerade ihren Platz am Sofa. »Wo warst du?«, begrüßt sie mich mit müden Augen und einem Anflug von Misstrauen und Ärger in der Stimme.
    »Sieht man doch.«
    »Joggen?«
    »Leider.«
    »Wieso?«
    »Weil du mich unbedingt auf meine paar Pfund zu viel aufmerksam machen musstest.«
    »Nein, wieso leider?«
    »Haha! Brüller!«
    Nach einer längeren Dusche hülle ich mich in meinen Bademantel und suche in der Küche nach Obst und Gemüse, das ich entsaften könnte. Außer Zwiebeln und Zitronen haben wir aber nichts vorrätig. Ist wahrscheinlich geschmacklich keine so gute Kombination: Zwiebel-Zitrone-Saft. Ich bin hungrig, sollte mir aber keine Pizza ins Rohr schieben. Der Kampf gegen die Kilos hat begonnen, eine Friedenserklärung unterschreibe ich in vier Wochen. Frühestens.
    »Ich mach mir eine Pizza. Willst du auch eine?« Luisa blickt mich provozierend an.
    »Nö«, antworte ich mit gespielter Gelassenheit und presse dann mit großer Theatralik die Zitrone aus, deren Saft ich mit Wasser aus der Leitung mische, was furchtbar schmeckt.
    Meine Verlobte öffnet mit mindestens so großer Theatralik das Gefrierfach, greift hinein, holt einen Karton heraus, reißt ihn auf, entfernt die Plastikfolie, schiebt die mit Analogkäse und Schummelschinken belegte Pizza ins Ofenrohr und sieht mich dabei herausfordernd an. »Diät, oder was?«
    »Wie kommst du denn auf so was?«
    »Indizien.«
    »Ein Mann macht keine Diät.«
    »Ja, ich weiß«, erklärt Luisa bissig. »Ein Mann isst, wenn er Hunger hat. Ein Mann trinkt, wenn er Durst hat. Ein Mann atmet, wenn ihm nach Luft ist.«
    »Wenn du das sagst.«
    »Wenn du das sagst«, äfft mich Luisa nach.
    Bekommt sie ihre Tage?
    »Magst du auch ein Bier?«, frage ich betont höflich.
    »Super, Mark. Nichts essen, aber Bier trinken. Das ist auch ein halbes Schnitzel.«
    Super Wochenende. Gott sei Dank endlich vorbei. Das denke ich auch nicht jeden Montag. Ich habe Hunger. Mein Magen knurrt. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal was gegessen habe. Ich weiß nur, dass ich das nächste Wochenende mit Luisas Eltern in Südtirol verbringen muss. In Südtirol! Ich bin fünfunddreißig, keine achtzig. Mein Opa fuhr kurz vor seinem Tod öfters mal nach Südtirol. Zum Wandern. Wenn es was gibt, das ich noch mehr hasse als Joggen – genau. Früher wurde mir sogar schlecht vom Wandern, weil ich die Langeweile nicht ertragen habe. Wandertag in der Schule war noch schlimmer als Bundesjugendspiele.
    Obwohl ich mich, wie es die ärztliche Sorgfaltspflicht verlangt, bei jeder Laserbehandlung voll und ganz auf meine Kunstfertigkeit konzentriere, schweifen in den Pausen zwischen den Behandlungen meine Gedanken immer wieder über den Brenner Richtung Bozen ab. Aber auch andere Themen beschäftigen mich. Zum Beispiel: Was ist wichtiger im Leben eines Mannes – eine Frau oder der beste Freund? Die Frau kann dich verlassen, der beste Freund theoretisch auch, praktisch aber nicht. Beste Freunde ist man sein Leben lang, verheiratet oft nur ein paar Jahre. Statistisch gesehen.
    »Bist du wach?«, reißt mich eine sonore Stimme am Ende eines hektischen Arbeitstags aus den Gedanken.
    »Barnie«, sage ich empathisch. »Setz dich. Alles gut? Darf ich dir was anbieten? Einen Apfelsaft

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