Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Ultrasound, sind die Technologien der Stunde. Fettabsaugen war gestern. Die meisten Leute, mit denen ich über meinen Job rede, glauben ja, dass wir Schönheitschirurgen vor allem Metzger seien und nur mit dem Skalpell arbeiteten, aber das benutze ich kaum noch. Ultraschall und Laser erzielen viel bessere und vor allem nachhaltigere Ergebnisse. Mit dem Laser kann ich nicht nur schneiden, sondern auch die Haut straffen. Er zerschießt erst die Fettzellen, saugt sie dann ab und erhitzt gleichzeitig das Bindegewebe. Toll und natürlich teuer. Aber die Kundin zahlt gerne, vor allem weil sie hinterher nicht aussieht wie eine Außerirdische oder Meg Ryan. Bei meinem nächsten Vortrag werde ich über Ingenieurskunst in der ästhetischen Medizin sprechen. Ein bisschen verrückter Professor kommt immer gut an bei den Leuten. Ich hoffe nur, dass dann Franziska nicht wieder auftaucht.
Was glaubt die eigentlich, wer sie ist? Verlässt mich, sagt, ich solle mich zusammenreißen, lässt ewig nichts von sich hören, meldet sich plötzlich ohne Vorwarnung zurück, zieht ihre alte Verführungsmasche ab und terrorisiert mich dann, weil ich nicht auf sie hereinfalle, mit einer SMS nach der nächsten. Ich sollte sie vielleicht löschen, bevor sie Luisa in die Hände fallen. Natürlich kontrolliert Luisa weder mich noch meine SMS, aber es gibt manchmal so blöde Zufälle – und dann Kacke am Dampfen. Aber hallo!
Es sollen sich schon Paare wegen weniger getrennt haben. Franziska ist ein Miststück! Sie will immer das, was sie nicht bekommt. Als sie mich hatte, wurde ihr das bald langweilig. Als sie mich nicht mehr hatte, wurde ich offenbar wieder interessant. Und jetzt ist es ein Spiel. Ich bin ihr egal, Luisa ist ihr scheißegal. Franziska ist ein Raubtier auf der Jagd, ich bin zur Beute auserkoren. Nur, dass sie mich erst auffressen und dann auskotzen würde.
Ich hasse es, dass ich trotzdem ständig an sie denke. Nicht im romantischen Sinn, eher im Gegenteil, aber die Frau beschäftigt mich. Ich werde Barnie um Rat fragen, was ich in dieser Angelegenheit unternehmen soll. Er kennt Luisa, und er kennt Franziska. Sie war eine Zeitlang bei ihm in Therapie. In seiner Praxis lernten wir uns kennen. Er hat mich, wie mein Vater, damals schon vor ihr gewarnt. »Lass die Finger von der Frau«, sind seine exakten Worte gewesen. »Die tut nicht gut.«
Wenigstens weiß ich bei meinem Hochzeitsauftritt in der Kirche Barnie an meiner Seite. Ich hasse es, wenn man mich anstarrt. Und bei hundertzwanzig Gästen wird auch der Bräutigam angestarrt. Das lässt sich gar nicht vermeiden, egal wie toll die Braut auch aussehen mag. Ich finde Hochzeitskleider gespenstisch. Genau wie Taufkleider oder Kommunionskleider. In der dritten Klasse sind alle Mädchen ausgeflippt, weil sie ihre weißen Minibrautkleider zur Erstkommunion tragen durften. Als würden sie Jesus begegnen. Zum Glück musste ich mich als Protestant nicht an dieser religiösen Veranstaltung beteiligen.
Ich hoffe nur, dass sich Barnie bis zu meiner Hochzeit wieder im Griff hat. Sein Auftritt bei uns gestern war ja wohl die größte schauspielerische Leistung in der Geschichte der Menschheit. Es sei denn, es war gar nicht geschauspielert und Barnie ist nun wirklich so. So, wie soll ich sagen? So apfelsaftmäßig. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. »Dann nehme ich auch einen Apfelsaft«, hat er gesagt.
Hätte nicht die Mutter seines Kindes danebengestanden, ich hätte den Außerirdischen, der sich für meinen besten Freund ausgibt, in den Schwitzkasten genommen. »Gib meinen Barnie frei, du Ungeheuer«, hätte ich gebrüllt. Natürlich weiß ich, dass Außerirdische in den Weiten des Alls existieren, aber warum sollten die ausgerechnet auf die Erde kommen, wo es doch in den unendlichen Weiten sicher auch intelligentes Leben gibt. Also war es wohl doch der echte Barnie, der plötzlich zum Frauenversteher mutiert ist.
Was so ein Kind doch ausmacht. Und wie es einen verändert – noch bevor es überhaupt auf der Welt ist. Wenn ich richtig rechne, dann wird Lilly bei unserer Hochzeit kugelrund sein. Wahrscheinlich weckt das gewisse Wünsche bei Luisa. Irgendwann, das weiß ich selbst, werden wir wohl eine kleine Familie haben. Aber bitte nicht sofort. Hübsch eines nach dem anderen. Wir müssen ja nicht gleich übertreiben. Erst heiraten, dann Haus kaufen und Baum pflanzen und erst anschließend Kinder kriegen – oder aus männlicher Sicht: zeugen.
So richtig gut haben sich Luisa
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