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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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lässt. Natürlich unterbreche ich sie nicht, wenn sie über Mike schimpft. Der Kerl war mir von Anfang an nicht koscher. Dieses ganze Bohei um seine Kunstbeflissenheit. Goethe hier, Schiller da. Jetzt hat er wohl eine Kampagne gegen Luisa in der Firma laufen. Diese Angestellten-Kleinkriege. »Und was wolltest du mir sagen?«, fragt Luisa, nachdem sie auch noch ihre Assistentin Elaine auf der Lästerliste abgehakt hat.
    »Dein Vater war heute bei mir.«
    »Ach ja, genau. Das hatte ich vor lauter Krieg hier kurz verdrängt. Und? Was wollte er?«
    »Reden.«
    »Reden? Worüber denn?«
    »Mich.«
    »Dich?«
    »Ja. Er findet, dass ich ein Supertyp bin.« Das kann ich mir einfach nicht verkneifen.
    »Du verarschst mich doch.«
    »Nein. Echt nicht.«
    »Das ist alles?«, fragt Luisa misstrauisch.
    Ich weiß nicht, wie ich es am besten formulieren soll.
    »Hallo. Mark. Bist du noch dran?«
    »Es ist so, Luisa«, sage ich und schnaufe durch. »Ich hatte recht. Dein Vater hat Krebs, er wird morgen operiert.«
    Luisa
    Ich sinke in meinem Schreibtischstuhl zusammen. Die Worte »Vater« und »Krebs« in einem Satz, das sollte nie jemand hören müssen. Mir fällt ein, wie er mich als Kind immer mit einer einzigen fließenden Bewegung vom Boden hob und auf seine Schultern schwang. Und dann stelle ich mir vor, wie er dünn und blass in einem Krankenhausbett liegt. Nein, das passt nicht. Nicht mein Vater.
    »Luisa? Bist du noch dran?«
    Irritiert schaue ich den Telefonhörer an, den ich mit der rechten Hand fest umklammert halte. Dann fange ich an zu weinen.
    »Luisa, bitte!«, höre ich Mark aus dem Hörer rufen. »Hör auf zu weinen. Es wird alles gut, es ist das Frühstadium von Hautkrebs, er hat gute Chancen und einen ausgezeichneten Arzt!«
    »Aber er ist mein Papa«, schluchze ich.
    »Natürlich ist er dein Papa.«
    »Er darf nicht so krank sein.«
    »Süße, glaub mir, es hätte ihn so viel schlimmer erwischen können. Stell dir einfach vor, es wäre eine schwere Grippe. Das ist auch gefährlich. Aber er wird schnell wieder gesund werden, sagt sein Arzt.«
    »Und was sagst du?«
    »Ich sage, ich bin kein Hautarzt. Aber nach allem, was ich darüber weiß, sieht es wirklich sehr gut aus für ihn.«
    »Ich muss Schluss machen, ich will ihn gleich anrufen.«
    »In Ordnung. Luisa?«
    »Ja?«
    »Vielleicht solltest du danach nach Hause gehen.«
    »Okay«, wispere ich und wühle nach einem Taschentuch in meiner Schublade. Dann wähle ich Papas Nummer. Aber erst, als ich mir sicher sein kann, dass ich ihn nicht vollheule. Er ist der Kranke. Ich muss stark sein.
    »Papa. Mark hat mich angerufen.«
    »Guter Junge.«
    »Er hat gesagt, du bist krank.«
    »Ja, Kleines, das bin ich wohl. Aber ich werde wieder gesund. Ich habe fantastische Blutwerte!«, brüstet sich mein Vater.
    Obwohl das Thema so ernst ist, muss ich mit den Augen rollen. Und ein klein wenig zickig werden. »Papa, dein Cholesterinwert dürfte jetzt ziemlich egal sein. Wehe, du gehst noch einmal ohne Sunblocker aus dem Haus!«
    »Keine Sorge«, schnaubt mein Vater. »Deine Mutter hat mir bereits eine Creme mit Lichtschutzfaktor vierzig gekauft. Bald sehe ich aus wie ein Schwede.«
    »Es gibt sehr gut aussehende Schweden.«
    »Bleichgesichter.«
    »Hast du keine Angst?«
    »Angst? Ich weiß nicht. Einerseits schon. Andererseits fühle ich mich nicht, als müsste ich sterben.«
    »Pass bitte auf dich auf, Papa. Ich brauche dich doch.«
    »Wirklich? Du bist doch schon groß«, sagt er zärtlich.
    Gleich kommen mir wieder die Tränen. »Trotzdem. Und du musst mich zum Altar führen.«
    »Ja, Kleines. Das mache ich. Ich verspreche es. Übrigens, das mit den SMS von Mark …«
    »Ja?«
    »Das solltest du vielleicht einfach nicht überbewerten. Männer machen auch mal Dummheiten. Es hatte bestimmt nicht zu bedeuten.«
    Aus dem Mund meines Vaters kommt das einer Entschuldigung gleich. Ich bin sowieso nicht mehr wütend deswegen. Es gibt jetzt viel Wichtigeres.
    »Okay«, schniefe ich.
    »Aber jetzt brauchst du ein Kleid. Deine Mutter sagt, ihr wärt heute verabredet gewesen.«
    »Das hatte ich jetzt ganz vergessen.«
    »Valentina!«, brüllt mein Vater plötzlich los.
    Meine Tränen versiegen augenblicklich. Dafür beginnt mein Ohr sachte zu pfeifen.
    »Was ist denn?«, höre ich meine Mutter aus dem Hintergrund rufen.
    »Luisa braucht Ablenkung. Kannst du sie früher treffen?«
    »Natürlich. In einer Stunde am Sendlinger Tor!«
    »Halt, warte«, rufe ich dazwischen. »Ich muss

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