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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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scheint sich im Griff zu haben.«
    »Sie ist unberechenbar. Das kannst du mir glauben.«
    »Sie ist eigentlich ganz nett.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr.«
    Luisa küsst mich. »Einfach so«, sagt sie, als ich sie fragend anblicke.
    Wir zwängen uns zwischen zwei Autos durch. Auf einem klebt auf der Heckscheibe Baby an Bord . Ich muss lachen.
    »Was ist daran lustig?«, will Luisa wissen. »Willst du keine Kinder?«
    »Nein. Doch. Kann sein. Aber ich muss es doch nicht gleich in die Welt hinausposaunen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Mails mit Babyfotos im Anhang ich in letzter Zeit bekomme. Von Freunden, die ich seit Schulzeiten nicht mehr gesehen habe.«
    Luisa reagiert nicht.
    »Was ist los?«
    »Ich musste nur gerade an Lilly und Barnie denken.«
    »Die zäumen das Pferd von hinten auf. Erst Kind, dann zusammenziehen, dann heiraten. Vor ein paar Wochen hätte ich noch meine Approbation darauf verwettet, dass Barnie am Ende seiner Tage in den Armen einer irischen Prostituierten stirbt. Seit Lilly ist er wie ausgewechselt.«
    »Ich finde die beiden süß zusammen.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also schweige ich besser. Wir sind ohnehin gleich zu Hause. Nur noch ums Eck. Dann in den dritten Stock. Der Anrufbeantworter empfängt uns mit einem Blinken. Luisa drückt die Abspieltaste. Ich schlüpfe aus meiner Jacke und zerre an den Schuhen. Als ich die Stimme erkenne, spüre ich ein leichtes Ziehen im Magen.
    »Hallo, Mark, hier Carlo.« Es folgt eine längere Pause, im Hintergrund flüstert Luisas Mutter. Man versteht nicht, was sie sagt. Dafür spricht jetzt wieder Luisas Vater. »Also, Mark, es ist so. Ich muss mit dir reden. Wenn es dir recht ist, komme ich morgen zu dir in die Praxis. Gegen Mittag. Ciao.«
    Ich sehe Luisa an, Luisa sieht mich an.
    »Wo sind wir da nur hineingeraten?«
    »Falscher Film.«
    Ob es am Champagner in Kombination mit Grappa und Rioja lag, dass ich in dieser Nacht nicht schlafen konnte, oder an der Aussicht, dass mich Carlo in der größten Mittagshitze kaltmachen würde, war am Morgen egal. Ich war so müde, dass ich fünf Nespressi brauchte, um überhaupt annähernd einen klaren Gedanken fassen zu können.
    Die Zeit bis High Noon zog sich dann wie ein alter, zäher, ausgespuckter Kaugummi unheimlich in die Länge. Falls sie noch langsamer vergangen wäre, wäre ich wahrscheinlich in ein Wurmloch geplumpst. Dann wäre ich jetzt in einem Raum-Zeit-Kontinuum gefangen, wenn ich James Tiberius Kirk als Kind richtig verstanden habe. Die Sache mit dem Nexus.
    Fünf vor zwölf. Ich frage mich, was Signor Conte von mir will. Vielleicht versucht er es mit Geld, nachdem die Einschüchterungsmasche nicht funktioniert hat. Er könnte harmlos mit zehntausend Euro beginnen, damit ich mich von Luisa trenne. Ab wie vielen Nullen dahinter würde ich schwach werden? Vielleicht hat er auch eine ehemalige Patientin ausfindig gemacht, die mich mit seiner Hilfe arm prozessiert. Ich suche den Aktenordner mit den Versicherungen raus, komme aber nicht mehr dazu, die Verträge im Detail zu studieren.
    »Dein Mittagstermin, Mark«, informiert mich Charlotte über die Gegensprechanlage.
    Ich atme zweimal kräftig ein und aus. Was soll’s? »Soll reinkommen«, gebe ich durch. Zehn Sekunden später geht die Tür auf. Ich gehe noch schnell einen Schritt nach vorne, stehe in der Mitte des Raums. Es ist die strategisch günstigste Position. Ausweichmöglichkeiten nach allen Seiten. »Hallo, Signor Conte«, sage ich möglichst neutral.
    »Hallo, Mark«, erwidert der Signore. Er geht auf mich zu, versucht sich an einem Lächeln, sieht einen kurzen Moment auf den Boden, dann blinzelt er und hält mir seine Rechte hin. Ich zögere. Offensichtlich soll ich einschlagen. Wir schütteln uns die Hände. »Ich bin der Carlo«, sagt Luisas Vater. »Du kannst Du sagen.«
    »Du?«
    »Immerhin heiratest du bald meine Lieblingstochter.«
    »Das stimmt natürlich. Also gut. Carlo.«
    Wir schütteln uns noch immer die Hände.
    »Was soll’s? Komm her, mein Junge.« Carlo zieht mich ohne Vorwarnung zu sich heran und umarmt mich. Weil ich nicht weiß, wie ich reagieren soll, klopfe ich Carlo einfach ein paar Mal mit der flachen Hand auf den Rücken. »So!«, beendet mein Schwiegervater in spe die Zärtlichkeiten bald wieder.
    »Was kann ich für dich tun, Carlo?« Der misstrauische Unterton in meiner Stimme ist leider deutlich hörbar.
    »Gehen wir eine kleine Runde?«
    »Gerne.« Ich sage nur kurz Bescheid, dass

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