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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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als ich das dirndlartige Oberteil bemerke, das soeben um mich herum festgeschnürt wird.
    »Hm«, sagt auch meine Mutter. Sophia Loren schweigt, was ich als schlechtes Zeichen werte. Ich schweige auch und weide mich an der Scheußlichkeit meines Anblicks.
    »Du siehst ein bisschen aus wie Stefanie Hertel in dunkelhaarig«, gibt meine Mutter schließlich zu.
    »Und mit weniger Busen«, sage ich mit ungewohntem Sinn für Realismus.
    »Da finden wir etwas Besseres«, verspricht die Loren aufmunternd.
    Kleid Nummer zwei erinnert an einen Mittelaltermarkt. Kleid Nummer drei ist ein klassisches Sahnebaiser. Und Kleid Nummer vier ist mit rosa Stoffrosen besetzt. Gerade als ich anfange, mich an Hässlichkeit zu gewöhnen, klingelt die Ladenglocke. Ich kämpfe mich gerade wieder in ein Kleid hinein, höre aber mehrere Schuhe mit Absätzen in Richtung der Umkleiden klappern. Gerade als ich den Kopf durch den Vorhang stecke, kommen sie auf uns zu: Marie voran, Verena und Anna rechts und links von ihr. Wie Charlie’s Angels, die zu meiner Rettung eilen. Noch nie kamen mir meine Freundinnen so wunderschön und stark vor. Ich trete aus der Umkleide, um ihnen das gesamte Ausmaß des Schreckens zu zeigen. Kleid Nummer fünf hat etwas von Seeräuberjenny. Verena zieht scharf die Luft ein. Anna grinst. Und Marie wendet sich umstandslos an die Verkäuferin.
    »Das richtige Kleid für Luisa ist elegant, modern und trotzdem romantisch. Eher schmal geschnitten und nicht mit so viel Chichi. Haben Sie so etwas?«
    »Aber natürlich«, sagt Sophia Loren sofort, schnappt sich den Kleiderständer und verschwindet, während meine Freundinnen mich tröstend umarmen und meine Mutter begrüßen. Sie sitzt mit einem Glas Sekt auf einem violetten Sessel und hat, finde ich, jetzt genug Spaß gehabt mit diesen textilen Geisterbahnen. Jedenfalls erzählt sie Anna sofort und weithin hörbar, ihr persönlich habe das Sahnebaiser gut gefallen, »aber Luisa ist ja etwas eigen«.
    Zum Glück kommt die Verkäuferin bald zurück. Die Ladung ihres Kleiderständers sieht schon viel besser aus. »Probieren Sie doch mal dieses.«
    Das Kleid ist fast ganz gerade geschnitten und hat aus festem Stoff ein paar aufgesetzte Falten vorne. Mir gefällt, dass es Frauen wie mich mit ein bisschen zu dünnen Beinen, ein bisschen zu kleinem Busen und ein bisschen zu dickem Hintern gut formt. Angetan drehe ich mich vor dem Spiegel.
    »Es macht einen guten Po«, konstatiert Verena fachmännisch.
    »Und es ist sehr modern«, meint Marie.
    »Du könntest ein Glitzerjäckchen dazu tragen«, wirft meine Mutter ein.
    »Aber«, sagt Anna stirnrunzelnd, »irgendwie bist das noch nicht du.«
    »Hm. Da könntest du recht haben. Nächstes Kleid.«
    Noch in zwei Kleider quäle ich mich hinein, um danach festzustellen, dass sie nicht optimal zu mir passen. Beim einen ist der Ausschnitt zu eckig, beim anderen trägt die Raffung an der Taille auf. Und dann trete ich im nächsten Kleid vor den Spiegel und bin verzaubert. Ein Oberteil in leichter Wellenoptik verschafft mir ungewohnte Kurven. An der Taille ist es ganz schmal, um dann ebenfalls wie hundert kleine Wellen um mich herumzuschwappen. Der Cremeton passt perfekt zu diesem romantischen Motiv. Und es hat keinerlei Glitzersteinchen, angenähte Blumen oder sonst etwas Überflüssiges an sich. Meine hysterischen Flecken sind bereits verschwunden, und auch meine Haarspitzen beginnen, sich wieder optimistisch zu locken. Selbst meine Schultern nehmen Haltung an in diesem Kleid. Ich drehe mich um.
    »Oh«, macht Marie. Verena zieht ein Taschentuch aus ihrer Handtasche. Meine Mutter und Anna stoßen wortlos mit ihren Sektgläsern an.
    »Das müssen Sie nehmen«, sagt Sophia Loren nüchtern.
    »Ich weiß.«
    Nachdem ich mit den versammelten Damen noch ausgiebig auf den erfolgreichen Ausflug angestoßen und einen zarten Schleier ausgesucht habe, wanke ich glückstrunken nach Hause. Ich habe ein Brautkleid gefunden, und ich darf darin meine große Liebe heiraten, die meinem Vater praktisch das Leben gerettet hat. Manchmal kommt mir Mark wie Superman vor. Besonders nach zwei Gläsern Sekt.
    Superman ist aber ganz und gar nicht in heldenhafter Stimmung. Als ich unsere Wohnung betrete, packt er gerade in seiner gewohnten Art Koffer: Er hat ihn aufgeklappt vor den geöffneten Kleiderschrank gelegt und lässt seine Klamotten einfach hineinfallen.
    »Fährst du weg?«, frage ich entsetzt und leicht beschwipst.
    Erstaunt betrachtet mich Mark. »Machst du

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