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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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als eigentlich nicht unangenehmer Gesprächspartner. Große Klappe, viel dahinter. Er hat sogar einen Doktortitel, wenn auch nur in einer geisteswissenschaftlichen Disziplin. Darüber hinaus spricht er Italienisch, Französisch und Englisch angeblich fließend, Portugiesisch und Mandarin für den Hausgebrauch. Abgesehen davon versteht er sich zu kleiden. Der Glencheck-Anzug steht ihm gut. Den Seitenscheitel können auch nicht viele so demonstrativ tragen. Mit ein bisschen Fantasie gäbe der Freund meiner Mutter eine durchaus passable Figur in Mad Men ab. Vielleicht nicht gleich Don Draper, aber einen von diesen jungen Werbeheinis. Vielleicht frage ich ihn deshalb, wie er seinen Film bewerben will.
    »Auf uns kommt tatsächlich viel Marketing zu«, antwortet Dominik und seufzt. »Ich hasse das. Als ob das Produkt, in unserem Fall der Film, nicht für sich stehen könnte. Immer muss noch mächtig Wirbel nebenbei gemacht werden. Die PR-Leute haben schon gefragt, ob sie unsere Liaison an die Bunte verkaufen dürfen.«
    »Und?«
    »Was meinst du , Mark?«, fragt mich meine Mutter tatsächlich.
    »Puh, schwierig. Es ist euer Leben. Ich weiß nicht, keine Ahnung. Also … Nein. Sorry. Ich meine … Was soll ich sagen? Ich bin kein Experte. Aber wenn’s Aufmerksamkeit bringt.«
    »Wann kommt denn der Film ins Kino?« Luisa scheint es gar nicht mehr erwarten zu können. Aufgeregt rutscht sie auf ihrem Sessel hin und her.
    »September.«
    »Oh«, sage ich knapp.
    »Was ist denn im September?«, will Anette wissen.
    »Also«, sage ich und blicke zu Luisa. Sie nickt. »Das ist so …«, hole ich aus.
    »Wir heiraten«, erklärt Luisa hibbelig.
    »Wow! Das ist ja sensationell«, brüllt Dominik das halbe Lokal zusammen und versucht gleichzeitig Luisa in ihrem Sessel zu umarmen, was nicht so richtig funktioniert. Wenn ich es richtig gesehen habe, dann war seine Hand kurz an Luisas Busen. »Champagner!«, verlangt er von der Germanistikstudentin. Was verdient man eigentlich so als Regisseur?
    »Hast du dir das auch gut überlegt, meine Liebe?«, fragt Anette Luisa, nachdem sich Dominiks Aufregung ein wenig gelegt hat.
    »Sehr gut sogar.«
    »Meine Ehe war die Hölle.«
    »Das wissen wir, Anette«, sage ich. »Daran warst du nicht ganz unbeteiligt.«
    »Genau wie dein Vater.«
    »Jedenfalls«, erzählt Luisa lächelnd, »planen wir eine große Hochzeit. Ihr seid natürlich herzlich eingeladen.«
    Dominik klatscht in die Hände und erzählt jedem, der zuhören will, dass er Hochzeiten toll findet.
    »Kommt er auch?«, will Anette wissen.
    »Wenn du damit meinen Vater meinst. Ja. Mit seinen Töchtern und Priska.«
    »Na bravo!«, ätzt meine Mutter, bevor sie sich Dominiks Weinglas schnappt und den Rest darin in einem Zug austrinkt.
    »Natürlich schicken wir die Einladungen rechtzeitig raus«, versichert Luisa.
    »Ich freu mich so«, jubiliert Dominik. »Wo bleibt denn der Champagner?«
    Ein paar Minuten später stoßen wir ein letztes Mal an diesem Abend an. Mutter sieht müde aus. Wenn man genau hinschaut, sieht man jetzt auch wieder die Falten in ihrem Gesicht. »Auf was trinken wir?«, fragt Luisa.
    »Auf euch natürlich«, antwortet Dominik.
    »Und auf euren Film.«
    »Möge er die Kinokassen klingeln lassen.«
    »Zahlen!«, ruft meine Mutter nach der Kellnerin.
    Ein bisschen ärgert es mich, dass ich auf der Barrechnung sitzen geblieben bin. Vor allem, weil ich den Schampus gar nicht bestellt habe. Aber was tun, wenn der Herr Erfolgsregisseur seine Geldbörse zu Hause vergessen hat? Luisa sagt, ich solle mich nicht aufregen. »War doch ein schöner Abend«, meint sie, als wir nach Hause schlendern. Ich bin mir nicht sicher, was das für ein Abend war. Immerhin habe ich in den letzten zwei Stunden so viel mit meiner Mutter geredet wie in den letzten beiden Jahren nicht. Und dass sie nicht mehr trinkt, finde ich gut. Ob sie allerdings mit diesem Dominik glücklich wird, bezweifle ich. In zehn Jahren ist meine Mutter siebzig und Dominik immer noch ein Bub.
    »Woran denkst du?«, fragt Luisa.
    Es ist eine laue Frühsommernacht. Viel ist draußen trotz der angenehmen Temperaturen nicht mehr los, nicht mal am Gärtnerplatz, wo die Jugend der Welt sonst so gern die Nacht zum Tag macht.
    »Vielleicht hätten wir es ihr nicht sagen sollen.«
    »Dass wir heiraten?«
    »Dass wir groß feiern.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe Angst«, gestehe ich.
    »Wovor?« Luisa sieht mich verständnislos an.
    »Mord und Totschlag.«
    »Deine Mutter

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