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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Reden ihre Hand (mit gepflegten, mittellangen Fingernägeln und perfekter French Manicure – etwas, das ich nie hinkriegen werde, und wenn ich 100   Jahre alt werde) auf seine legt und er fasziniert auf die dunkle Locke schaut, die ihr verführerisch ins Gesicht fällt   … Stopp. Das wird jetzt doch zu hart. Ich zünde in meiner halbdunklen Wohnung ein paar Kerzen an. Draußen ist es neblig und will nicht hell werden. Dann lege ich «Stabat Mater» von Pergolesi auf, wickle mich in meine Kuscheldecke und schlürfe meinen Tee. Endlich kann ich mal den Bücherberg angehen, den ich zum Geburtstag bekommen habe. Eigentlich fühle ich mich gar nicht mehr so schlecht. Wenn nur diese verstopfte Nase, die Kopfschmerzen und der wunde Hals nicht wären. Krank sein ist ziemlich uncool. Eigentlich.

MONTAG, 14.   OKTOBER 2002 – AMÉLIE UND STRAWBERRY CHEESECAKE
    Dafür, dass ich mich am Freitagabend noch das ganze Wochenende den Taschentuchumsatz fördernd und mit einer ausgewachsenen Erkältungsdepression auf dem Sofa herumliegen sah, waren Samstag und Sonntag dann doch ganz nett.
     
    Gut gelaunt treffe ich gegen 20   Uhr bei Marlene ein. Vroni ist auch schon da. Wenn wir drei zusammenlegen, kriegen wir eine runde Erkältung hin: Marlene hat Fieber und Kopfschmerzen, ich schniefe, und Vroni hustet und hat Halsweh. Die ideale Voraussetzung für einen dieser «gemütlichen Videoabende», für die ich normalerweise glaubwürdige Ausreden wie «Och, du, danke für die Einladung, aber ich möchte heute so gerne noch meine Steuererklärung fertig machen» parat habe. Wir sehen uns «Die fabelhafte Welt der Amélie» an. Einer meiner Lieblingsfilme. Die Mädels kennen ihn noch nicht, also reiße ich mich zusammen und verschone sie mit «Jetzt kommt eine super Szene, gleich, gleiiiiich!» und vorfreudigem Gekicher. Das kann ich nämlich selbst nicht leiden. Meine Lieblingsszene aus dem Film ist die, in der Amélie Nino, in den sie verliebt ist, in das Bistro bestellt, in dem sie arbeitet. Er verspätet sich um zehn Minuten, und Amélie denkt über den Grund nach. Es folgt eine wilde Geschichte, die mit Ninos Entführung von seinem Arbeitsplatz beginnt und ungefähr 27   Wendungen später damit endet, dass Nino ein afghanischer Freiheitskämpfer mit einem Teewärmer auf dem Kopf geworden ist. Marlene fand diese Szene etwas abstrus, doch ich liebe Amélies Gedankengänge. Sie sind mir so vertraut. Kurz nach dem schönsten Filmkuss aller Zeiten («Da passiert ja gar nichts», beschwert sich Marlene, während ich mir verstohlen die Tränen aus den Augen wische) ist der Film leider vorbei. Nichts gegen meine heiß geliebten Freundinnen, aber ich habe jetzt keine Lust, mich über die neuesten IKE A-Möbel ,die beste Brotchips-Sorte und die nervigsten MT V-Moderatoren zu unterhalten. Also mache ich mich aus dem Staub. Manchmal ist es ganz nützlich, krank zu sein.
     
    Am Sonntag treffen wir uns wieder. Marco, Alexas frisch gebackener Ehemann, lädt uns und noch fünf andere Freunde zum Abendessen ein. Mhmmm, denke ich, als ich mir das dritte Mal vom Coq au Vin geben lasse, den hätte ich auch geheiratet. Als wir fertig geschlemmt haben, fällt mir ein, dass ich den Nachtisch vergessen habe. Seitdem mein erster und bisher letzter Versuch, eine selbst gemachte Nachspeise mitzubringen, nicht sonderlich honoriert wurde («Was, äh, ist das eigentlich?» – «Tiramisu!» – «Oh, äh, schmeckt   … interessant!» – «Meint ihr, ich habe es übertrieben mit dem Amaretto?» – «Ach was   …»), bringe ich immer Eis mit. Heute nicht.
    «Kommt, Mädels, lasst uns einen Verdauungsspaziergang machen», scheuche ich Marlene und Vroni auf und erkläre ihnen draußen, dass wir jetzt schnell irgendwo Häagen-Dazs-Eis herbekommen müssen. Ist ja wohl kein Problem, Sonntag um 22   Uhr 30 in München.
    Von wegen. Wir sind hier mitten in Haidhausen, und weit und breit kein geöffneter Laden. Tolle Weltstadt. Endlich finden wir eine Tankstelle. «Haben Sie Häagen-Dazs?», frage ich hoffnungsvoll den Kassenmenschen. Hilfsbereit beginnt er, mir seine verschiedenen Motorölsorten aufzuzählen. Danke, vielleicht ein andermal.
    Es endet damit, dass wir mit dem Taxi zur nächsten Großtanke auf der Rosenheimer Straße fahren. Dort stehen wir vor dem Häagen-Dazs-Schrank (hurra!) und entscheiden uns schließlich für fünf Töpfe Eis.
    Schon circa neunzig Minuten, nachdem wir zu unserer Runde um den Block aufgebrochen sind, treffen wir wieder

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