Wer ist eigentlich Paul?
bei unseren Freunden ein. Blöd nur, dass Alexa und Marco inzwischen alleine sind. Die anderen müssen halt morgen früh raus. Da sitzenwir nun, fünf Leute, fünf Töpfe leckerstes Eis. Klar gibt’s einen Tiefkühlschrank, aber da müssen wir jetzt ohne fremde Hilfe durch! Wir lassen die Becher reihum gehen und fangen an zu spachteln. Strawberry Cheesecake muss man besonders gut im Auge behalten, damit der Topf nicht zu lange bei einem Löffler hängen bleibt. Längeres Schweigen eines Essers ist höchst verdächtig. Crème Caramel wird anfangs etwas stiefmütterlich behandelt, holt aber im Laufe des Rennens auf und schlägt am Ende sogar Macadamia Brittle. Das Beste an diesem Eis ist: a) Es stehen keine Kalorienangaben drauf, und b) man kann unendlich viel davon essen, ohne dass einem schlecht wird.
PS: Keine Nachricht von Paul. Ich fürchte, er hat mich vergessen. Was ich von mir nicht behaupten kann. Ich vermisse ihn. Leider kann ich meine Sehnsucht nicht jeden Tag in amerikanischer Eiscreme ertränken …
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2002 – LIFE IS A ROLLER COASTER
Das Leben ist eine Achterbahn. Und momentan bin ich wieder mal ganz unten, dort, wo die Schwerkraft einen so richtig zusammenstaucht, wo sie auf den Magen und die Atmung drückt und man das Gefühl hat, es geht nie wieder nach oben.
Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Ich bin kein Jammerlappen. Ich habe in dieser Woche gearbeitet wie ein Tier (sogar mit meiner verhassten Magisterarbeit bin ich weitergekommen). Ich war schwimmen, joggen, Sushi essen, habe alte Freunde angerufen, meine Wäsche gewaschen, meinen Eltern im Garten geholfen und tatsächlich die Unterlagen für meine Steuererklärung zusammengesucht. Und zwischenzeitlich war ich schon auf dem richtigen Weg. Alles easy, Marie, habe ichmir gesagt, es kommt, wie’s kommt, you can’t hurry love, in zwei Wochen wanderst du vielleicht vergnügt mit Paul durch die Berge und hast alles vergessen, worüber du dir jetzt so viele Gedanken machst … Womit wir endlich beim Thema wären. Paul. Mein großer, blonder, himmlisch küssender Paul, dessen Stimme es schafft, mir eine wohlige Gänsehaut auf den ganzen Körper zu zaubern – er ist wieder mal vom Erdboden verschwunden. Seit einer Woche habe ich nichts mehr von ihm gehört. Und ich werde allmählich wahnsinnig. Drei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust (Goethe).
Die eine sagt: «Er weiß, dass du leidest, wenn er sich nicht meldet. Also ist etwas passiert, was ihn vom Anrufen abhält. Fang schon mal an, dir Sorgen zu machen.»
Die zweite meint: «Sei kein hysterisches Mädchen, sondern eine souveräne Frau. Männer haben eben manchmal andere Dinge zu tun. Wichtige Dinge, aber das kannst du als Frau, der die Liebe am wichtigsten ist, natürlich nicht verstehen. Warte ab, er wird sich melden, und alles ist wieder in Butter!»
Seele Nummer drei schlägt vor: «Vergiss Paul. Wer ist eigentlich Paul? Es ist doch sonnenklar. Er hat keine Lust mehr auf dich. Er hatte seinen Spaß, und jetzt ist es vorbei. Würde er dir das mitteilen, hätte das für ihn nur Stress zur Folge. Und Stress, insbesondere mit Frauen, können Männer nicht leiden.»
Wem soll ich jetzt glauben? Wer von den dreien spricht die Wahrheit? Werde ich das je erfahren und vor allem – wann? Tapfer sein ist ganz schön anstrengend. Aber ich bin ja kein Jammerlappen. Und hysterisch auch nicht. Nein. Ich kann gut ohne Paul leben. O ja. Du wirst doch nicht heulen, Marie? Ach so, es ist nur der Druck auf die Tränendrüsen hier unten in der Achterbahn. Ja klar. Kann mal jemand das verdammte Ding wieder anschieben???
DIENSTAG, 22. OKTOBER 2002 – VON EINER, DIE AUSZOG, SPASS ZU HABEN
Zurück auf dem Boden der Tatsachen. Da mir momentan erotische und romantische Höhenflüge anscheinend nicht vergönnt sind (die einzige Nachricht, die ich seit Ewigkeiten von Paul erhielt, kam per SMS und lautete ungefähr so: «Bin unterwegs, melde mich spätestens zur nächsten Sonnenfinsternis wieder») und es auf die Dauer einfach langweilig ist, neben dem Handy auf dem Sofa zu sitzen und sich langsam, aber sicher zur «Tatort»-Expertin zu entwickeln, musste ich etwas unternehmen. Und was macht man als junge, attraktive Frau in einer Stadt wie München? Ausgehen, klar. Ich schnappte mir also Vroni, und wir zogen los.
Gärtnerplatzviertel, Samstagabend, 21 Uhr 30. Im Holy Home sind schon die Fenster beschlagen, und einige Leute sind trotz
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