Wer ist eigentlich Paul?
merken, dass deine Strähnchen schon drei Wochen alt sind, Männer sehen so was nicht, die sehen nur blond, und Blond ist gut. Hast du genug Kondome …»
«Vroni!!!»
«Ähem. Hab ich was Falsches gesagt? Ihr benutzt doch Kondome, oder? Ich meine, du kennst ihn und seine Vorgeschichte ja noch nicht so gut, und man kann nie …»
«VRONI!!!»
Ich muss relativ laut gekreischt haben, denn endlich hört sie mir zu. Und sie macht alles richtig. Sie sagt nicht, dass Paul sowieso ein Arschloch ist, das mich gar nicht verdient hat, dass ich ihn vergessen soll und mir lieber die Option auf einen Mann offen halten soll, der es gut mit mir meint. Genauso wenig sagt sie, dass alles halb so wild ist, dass ich mich zu sehr aufrege und es einfach mal locker nehmen soll. Vroni tut genau das Richtige. Sie hört sich meine siebzehn möglichen Erklärungen für Pauls Verhalten an, ohne mich zu unterbrechen und Sätze wie «Dasglaubst du doch selbst nicht» zu sagen. Sogar bei Variante elf (Paul bekam heute Mittag kurzfristig einen Spezialauftrag des österreichischen Geheimdienstes. Es wurde ihm streng untersagt, auch nur ein Sterbenswörtchen über seinen Aufenthaltsort zu verlieren. Unter akuter Gefahr für Leib und Leben schaffte er es, heimlich sein Handy einzuschalten und mir die sechs Worte «Bin in Wien und im Stress» zu senden) lacht sie mich nicht aus, sondern merkt nur kurz an, sie fühle sich irgendwie an den Film «Die fabelhafte Welt der Amélie» erinnert. Dann diskutieren wir die verschiedenen Möglichkeiten durch. Am Ende entscheiden wir uns für Nummer achtzehn. Paul hatte einen guten Grund, mir heute abzusagen, es tut ihm mehr Leid, als ich ahnen kann, und ich werde den Grund später erfahren. Das klingt doch gut. Vor allem das «es tut ihm mehr Leid, als ich ahnen kann».
Damit kann ich einigermaßen leben. Trotzdem brauche ich nach dem wohltuenden Vroni-Telefonat noch eine Badewannentherapie, kombiniert mit einer Mischung aus Notfallprogrammpunkt 1 und 4. Baldrian-Hopfen-Dragees mit eiskaltem Wodka. Nicht zur Nachahmung empfohlen! Irgendwie ist mir komisch, als ich aus der Wanne steige. Eine neue Designerdroge? Sehe schon die Schlagzeile in der «BILD» vor mir: «ATTRAKTIVE JUNGE STUDENTIN NACH ÜBERDOSIS IN BADEWANNE ERTRUNKEN», Untertitel: «Der tragische Tod der Marie S. – geschah er aus Liebeskummer? Welche Rolle spielt der geheimnisvolle Paul N.? Warum hat sich der österreichische Geheimdienst eingeschaltet?» Na ja, ich weiß nicht. Das wäre ja schon ein ganzer BIL D-Artikel . Ob ich denen das wert bin? Wohl kaum. Paul wird also wahrscheinlich nie von meinem tragischen Ableben erfahren. Deshalb wird er auch nicht zu meiner Beerdigung erscheinen, wird nicht sehen, wie viele Freunde ich hatte, die um mich trauern, und wird nicht hemmungslos zu schluchzen beginnen, wenn sie «Mr. TambourineMan» spielen wie in «Irgendwie und Sowieso», in der legendären Folge, in der Tango beerdigt wird …
Mist, es ist erst 23 Uhr. Mir ist schlecht vom Heulen, vom Wodka, den Baldriantabletten und dem inhalierten Erkältungsbad. Boah, ist mir übel. Ich kann nicht mal rauchen. Von Pfefferminztalerkonsum ganz zu schweigen. Bleibt nur noch: ein Video. Da ist es. «Indecent Proposal» – Ein unmoralisches Angebot. Robert Redford, Traum meiner schlaflosen Nächte. Alexa und ich sind uns einig: Wir würden, wenn wir könnten, eine Million Dollar dafür
bezahlen
, eine Nacht mit ihm verbringen zu dürfen. Dass er unser Vater, ja theoretisch Opa sein könnte, stört uns nicht. Vergesst Brad Pitt, vergesst David Beckham, vergesst Enrique Iglesias. Allesamt konturlose Milchbubis. Ein Wort von Robert Redford, und ich wäre die Seine.
Ich brauche diesen Film jetzt. Okay, zwischendurch kann ich ein wenig vorspulen. Endlich kommt meine Lieblingsszene. Legendär, wie Diana und John alias Demi Moore und Robert «der Göttliche» Redford in seiner Limousine sitzen. Er weiß, dass sie gerne zu ihrem Mann zurückwill … und er lässt sie gehen, indem er ihr erzählt, sie sei nur eine von vielen von ihm gekauften Frauen. Er weiß, dass das nicht stimmt, sein Fahrer und Vertrauter weiß es, und Diana weiß es auch. Doch sie geht. Der Fahrer fragt John, warum er das getan hat. Und er sagt: «I wanted to end it. She’ll never look at me the way she looks at him.» O mein Gott. Wie edel, wie gut, wie weise. Wie immer muss ich spätestens hier hemmungslos heulen. Das Leben ist nicht fair. Und wenn es
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