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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Riesen-Rindviech. Super Leid. Wie alt bin ich – fünfzehn? Superpeinlich, echt. Menno.
     
    Was erblicken meine verheulten Augen? «1   Kurzmitteilung erhalten». O mein Gott.
    «Bin in Wien und im Stress». Hey, guter Mann, woher soll ich das bitte schön wissen?!? Hellsehen gehört nicht zu meiner Serienausstattung.Ungewissheit und Traurigkeit weichen einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. Was bildet der sich eigentlich ein? Was, wenn ich nicht abgesagt hätte? Wäre er einfach nicht aufgetaucht und hätte mich in meiner spiegelblanken, duftenden, sorgfältig präparierten Wohnung sitzen lassen? Mit einem filmreifen Porno im Kopf, in dem er und ich die Hauptrollen spielen, aufgebrezelt, geduscht, epil- und parfümiert, eingecremt und in einem zwickenden Spitzentanga   … Wie erniedrigend, wie erbärmlich!
     
    Ich hasse Wien, ich hasse meine vorbereitete Wohnung, ich hasse mein kleines, langweiliges Leben, ich hasse Paul! Nein. Ich hasse die Tatsache, dass er in Wien ist und unser Date vergessen hat. Ich hasse mich, weil ich mir so viel Mühe und Gedanken gemacht habe und mir nun so richtig schön blöd vorkomme. Ich hasse das Gefühl, mein Leben, das mir bisher ganz gut gefiel, plötzlich nicht mehr zu mögen, weil Paul es nicht teilen will. Und am schlimmsten ist, dass ich Paul liebe. Dass er mir nicht egal ist.
     
    Was mach ich jetzt nur? Ich gehe den Katalog meiner Notfallprogramme für akut verzweifelte Situationen durch. Meine Möglichkeiten sind vielfältig:
     
    1) Sinnlos betrinken, alleine. (Ich denke an meinen Wodka Absolut im Gefrierfach, dort, wo anständige Frauen in meinem Alter ihre Iglu-Salatkräutermischung und das Schlemmerfilet à la Bordelaise aufbewahren.)
     
    2) Sinnlos betrinken, mit Vroni. (Was macht Vroni heute Abend? Ich habe keine Ahnung. Vor lauter bevorstehendem – ehemals bevorstehendem – Paul-Besuch habe ich bereits angefangen, meine Freunde zu vernachlässigen. So fängt’s an.)
     
     3) Ausgehen, aktuellen Marktwert testen und einen attraktiven Typen für einen netten, komplikationslosen ONS abschleppen. (Ich
will
keinen ONS. Will keinen anderen Mann. Will Paul. Nur Paul. Meinen Paul. Ist nicht mein Paul. Wird nie mein Paul sein. Ist Paul, der in Wien und im Stress ist.)
     
    4) Drei Kannen Schlaftee trinken, sieben Baldrian-Hopfen-Dragees einwerfen, «Der Weg» von Herbert «das Leben ist nicht fair» Grönemeyer in Repeat-Funktion hören, das Leben so was von unfair finden, heulen, mir lebhaft vorstellen, die Baldrian-Hopfen-Dragees wären Schlaftabletten, sieben Abschiedsbriefe schreiben und schließlich sanft einschlummern. Und natürlich am nächsten Morgen wieder aufwachen.
     
    5) Mami anrufen und ausheulen. (Kommt nicht infrage. Das letzte Mal, als ich das tat, war ich siebzehn, und Peter, meine erste große Liebe, hatte mir gerade recht überraschend eröffnet, dass er doch lieber bei seiner Ehefrau bleiben und nicht mit mir in Tasmanien, Dänemark oder Bad Reichenhall ein neues Leben beginnen wollte. Das ist jetzt 11   Jahre her. Ich sollte inzwischen ohne mütterlichen Beistand mit derartigen Situationen klarkommen. Außerdem hofft meine Mutter immer noch, dass ich bald Max heirate und sie in naher Zukunft bitte, unser Söhnchen für ein Wochenende zu betreuen   …)
     
    6) Schreiben. Schlechte Gedichte verfassen, die sich auf keinen Fall reimen, in denen dunkle Wolken vorkommen, leere nächtliche Großstadtstraßen, winterlicher Regen im Gesicht (oder sind es doch Tränen?) und keine Interpunktion. Auf keinen Fall Interpunktion.
     
    Ich werde erst mal Vroni anrufen und nachfragen, was sie heute Abend so macht. Es ist jetzt 20   Uhr. Wenn alles gut gegangen wäre, würde Paul jetzt vielleicht gerade klingeln, ich würde, bevorich den Türöffner drücke, eine Strähne meines blonden Haares wie zufällig ins Gesicht zupfen, tief durchatmen und mich auf sein Lächeln freuen   … HALT. Der Selbstschutzmodus sollte sich jetzt aktivieren. Nicht dran denken. Hätte, wäre, könnte, würde – was soll das? Bestimmt hat es auch sein Gutes, dass das heute nicht klappte. Irgendwann werde ich die Schicksalhaftigkeit dieser Fügung erkennen und dankbar dafür sein.
     
    «Mh-hm?»
    «Vroniiiii   …»
    «Fuldige. Iffin am Effen.»
    «Das höre ich   … Sag Bescheid, wenn du fertig bist, ich hole derweil meine Zigaretten.»
    «Marie?»
    «Mahlzeit!»
    «Was willst du? Ich bin sicher, du siehst phantastisch aus. Deine Haare sind super, Paul wird es nicht

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