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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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erwiderte die Ehefrau und fuhr fort: «Ich glaube, der ist sogar sehr berühmt, irgendein König hat da ein Schloss gebaut!» – «Hmmmm, Schimmsee, Schimmsee   … Nicht weit von München, sagten Sie?», rätselte Vroni, «vielleicht meinen Sie den Simssee?» – «Näh, näh, Schimmsee!», beharrte Frau Wuppertal.
    Der Schimmsee blieb ein Rätsel – bis zum Tag unseres Heimfluges. Im Flieger, ich hatte gerade meinen üblichen Löffelklau begangen und studierte aus Langeweile die Sicherheitskarte im Sitz vor mir (Hilfe, da wird einem erst wieder bewusst, was auf so einem Flug alles schief gehen kann), fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Die Wuppertaler hatten den Chiemseegemeint. Leider sah ich sie nie wieder, und es ist mir heute noch ein bisschen peinlich, dass ich als Münchnerin Bayerns größten See nicht kannte.
     
    Eine Stunde und viele alte Geschichten später erreichen wir das österreichische Waidring. Ich bin so froh, dass ich Vroni habe. Mit schlafwandlerischer Sicherheit spürt sie, dass ich heute nicht über Paul sprechen will und auch nicht darüber, dass unser Date wieder mal nicht geklappt hat. Die Gefahr, dass ich in Tränen ausbreche, ist viel zu groß.
     
    Der Tag ist perfekt. Mit der ersten Gondel gleiten wir über bezuckerte Bäume den steilen Berg hinauf. Oben bin ich gespannt. Ich fahre seit vierundzwanzig Jahren Ski, Vroni seit drei Wochen.
    «Nehmen wir erst mal die blaue Piste, zum Einfahren, okay?», schlage ich vor. Auf blauen Pisten bin ich super. Und bei strahlendem Sonnenschein und griffigem Schnee wie heute erst recht. Ich wedle elegant die ersten zweihundert Meter der Piste hinunter, haue dann die Kanten in den Schnee und komme in einer Pulverwolke, die Stefan Eberharter im Zielbereich der Kitzbühler «Streif» vor Neid erblassen ließe, zum Stehen. Lässig auf die Skistöcke gestützt, blinzle ich in die Sonne und warte auf Vroni. Das dauert sicher noch. Schließlich hat sie nur eine Woche Skikurs gemacht. Wo sie wohl   … WAAAAAAH! Hiiiilfeeee!
     
    «Sorry, auf den Punkt anhalten beherrsche ich noch nicht ganz perfekt!», entschuldigt sich meine Freundin, während ich mir den Schnee aus den Haaren schüttle und ein bisschen bereue, dass ich zu eitel bin, um mich michelinmännchenmäßig, aber wasserfest und skifahrtauglich zu kleiden. Na ja. Wer schön sein will, muss frieren.
    Nach drei blauen Pisten fordert Vroni neue Herausforderungen: «Hey, gibt’s hier keine roten Abfahrten?»
    Kannst du haben, denke ich, und wir nehmen den Lift zum höchsten Gipfel des Skigebiets. Die rote Piste liegt noch im Schatten und ist stellenweise etwas eisig. Kurzzeitig packt mich das schlechte Gewissen, weil ich Vroni hier hinunterscheuche. Doch meine beste Freundin, die ich in- und auswendig zu kennen glaubte, überrascht mich. Heimlich hefte ich mich an ihre Fersen und fahre ihren akkuraten Bögelchen hinterher. Hatte ich erwähnt, dass die Kanten meiner Ski seit Jahren nicht mehr geschliffen wurden? Äußerst ungünstig auf Eis.
     
    Wir machen Mittagspause auf der Terrasse einer Hütte. Als ich meinen Germknödel mit zerlassener Butter verspeise, fällt mir auf, dass ich seit heute Morgen nicht an Paul gedacht habe. Hurra. Mist. Damit ist es in diesem Moment vorbei. Als ich Paul vor über einem Jahr kennen lernte, war auch gerade Skisaison. Ich weiß noch genau, wie ich Vroni abends im Café Forum vorschwärmte.
    «Weißt du, dieser Paul, der ist schon ein Schneckerl!»
    «Aha.»
    «Ja! Wie soll ich ihn beschreiben   …? Groß, blond   …»
    «…   breitschultrig, sportlich-trainiert, ich weiß, Marie. Von der Sorte gibt’s allein in München ungefähr fünfzigtausend!»
    «Neiiiin!», widersprach ich und orderte per Handzeichen zwei weitere Cosmopolitans bei Sven, dem Kellner, der aussieht wie Matt Damon (nur am Rande bemerkt).
    «Weißt du, Vroni, Paul ist ein Typ, der sich beim Skifahren super machen würde. Schwarze Skihose, weißer Zopf-Rollkragenpulli, Dreitagebart, stylische Sonnenbrille, leichte Bräune im Gesicht   …»
    «M-hm   …»
    «Nicht gut?»
    «Klingt ein bisschen wie die Piz-Buin-Werbung, Süße. Du bist doch sonst nicht so klischeegefährdet.»
    «Ach, und du bist nur neidisch!»
    «Worauf denn? Darauf, dass du vom Skifahren mit einem Typen träumst, der nicht mal ein Date mit dir auf die Reihe kriegt?»
     
    Ich weiß nicht mehr, was ich damals antwortete («Hmpf», vermute ich mal), aber ich muss leider zugeben, dass Vroni Recht

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