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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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    Eine Woche später erzählte Vroni mir ganz beiläufig, sie habe jetzt mal einen Skikurs in Südtirol gebucht und freue sich schon darauf, endlich ihre neuen Carver auszuprobieren. Ich war baff. Typisch Vroni. Aber Hauptsache, sie lernte endlich Ski fahren. Jeder anständige Bewohner Bayerns kann Ski fahren und stürzt sich wochenends mit Begeisterung auf die Salzburger Autobahn, um zusammen mit Tausenden von Hamburgern, Holländern, Fürstenfeldbruckern und anderen «Preißn» den Bergen entgegenzuschleichen.
     
    Heute Morgen, pünktlich um sieben, klingelt Vroni an meiner Tür. Ich verstaue meine violett-neongrünen, fünf Jahre alten und mangels Pflege kantenlosen und belagarmen Halbcarver sowie meine Skistiefel, die ich als 1 5-Jährige erwarb und die frappierende Ähnlichkeit mit zwei Gipsbeinen haben, in meinem Auto und betrachte ein bisschen neidisch Vronis Ausrüstung. Nagelneue, knallrote Carver, passende Skistöcke, schicke schwarze Skischuhe mit achtmal so vielen Schnallen wie meine. Und natürlich eine elegant-sportliche Skihose und ein fescher Anorak. Ich fahre seit Jahren nur noch in Jeans Ski. Es gibt keine Skihose, die mir passt und in der ich nicht gleichzeitig wie die fette Nichte des Michelinmännchens aussehe. Ich habe sie alle anprobiert. Die billigen von H&M genauso wie die teuren von The North Face, die ich mir sowieso nicht leisten kann. Immer das gleiche Ergebnis. Nach hosenlosem Verlassen desSportgeschäfts zwei Tage Diät und dann die Einsicht, dass es das nicht wert ist. Auf die tägliche Tafel Schokolade verzichten, nur um beim Skifahren gut auszusehen? Never ever. Seitdem fahre ich eben in Jeans. Und weil ich keines der Mädchen bin, die schon frieren, bevor sich die Temperatur der Frostgrenze nähert, sogar ohne Strumpfhosen drunter. Das geht wunderbar. Nur Hinfallen ist ungünstig. Und meine Mitfahrer müssen auf dem Heimweg im Auto Wüstenklima und heißen Wind im Fußraum erdulden, damit meine bis zu den Knien nassen und eisigen Hosen trocknen können.
     
    Schon die Fahrt zur Steinplatte ist viel versprechend. Ich habe die Skifahr-CD im Auto.
    Und wann der Schnee staubt, und wann die Sunn scheint, dann hob i alles Glück in mir vereint. I steh am Gipfel, schau oba ins Toi. A jeda is glücklich, a jeda fühlt se wohl   … Ja, i wui Schiiiiiii foan   …
    Kurz vor Rosenheim merke ich, wie meine Laune sich langsam bessert. Am Chiemsee ist mein Lachen das erste Mal wieder echt.
    «Weißt du noch, unsere Wuppertaler auf Mallorca?», kichert Vroni.
    «Du meinst die, die immer ins ‹Don Schikotte› gingen, weil da die ‹Musick› so klasse war?»
    Vor zwei Jahren flüchteten Vroni und ich spontan für eine Woche in den Süden. Eigentlich hätten wir auf eine Klausur in Germanistik lernen müssen. Doch bei diesem miesen deutschen Aprilwetter war unsere Motivation stark eingeschränkt. Bei mallorquinischer Frühlingssonne und 25   Grad unter Palmen, fanden wir, würde sich uns Bertolt Brechts Lyrik samt ihrer tieferen Bedeutung sicherlich mühelos erschließen. Wir buchten uns also in einem hübschen Hotelbunker in der dritten Reihevon El Arenal ein und bestiegen mit Sommerkleidchen, offenen Schuhen, Sonnencreme und circa fünf Kilo Büchern aus der Staatsbibliothek die LT U-Maschine nach Palma de Mallorca. Mit uns an Bord: die ersten Kegelclubs, schon morgens um neun mit nicht zu überhörendem Pegel, sowie eine Gruppe von solariumsvorgebräunten Mädels Ende dreißig, die – natürlich ohne ihre Männer – wild entschlossen war, auf ihrem einwöchigen Freigang noch brutzelbrauner zu werden, mindestens zwei spanische Kellner abzuschleppen und abends im «Oberbayern» ganz spontan zu strippen und dabei den nagelneuen Spitzenstring aus dem Quelle-Katalog zu präsentieren.
    Ich weiß nicht, wo Kegelclub und Solariumsdauerabonnentinnen logierten – in unserem Hotel jedenfalls nicht. Außer uns gab es dort nur Familien mit kleinen Kindern und ältere Ehepaare. Mit einem solchen teilten wir unseren Frühstückstisch. Sie kamen aus Wuppertal und waren sehr nett, auch noch, nachdem Vroni als Auftakt zu einer Unterhaltung der Satz «Wuppertal? Ach, da wo neulich diese Schwebebahn abgestürzt ist, nicht?» rausgerutscht war. Als sie hörten, dass wir aus Bayern waren, erzählten sie uns begeistert von ihrem Urlaub am Schimmsee. «Schimmsee? Nö, kenne ich nicht. Ist das ein kleiner See?», fragte ich. «Och, nein, der ist ziemlich groß, sehr groß sogar, nicht, Heinz?»,

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