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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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ein Jahr im Ausland verbracht und sind gerade mit dem zweiten Kind schwanger. Halt, da war vorher noch was. Verheiratet sind diese Frauen selbstverständlich auch. Und ich? Kein Studienabschluss, kein Fulltimejob, kein Auslandsjahr, keine Karriere, kein Mann und erst recht kein Nachwuchs in Sicht.
     
    «Also, Frau Sandmann, ich erwarte bis Freitag, zehn Uhr, Ihr Exposé», sagte meine Professorin abschließend und wagte es doch tatsächlich, mir noch ein «Frohes Schaffen» hinterherzuschmettern, als ich geknickt aus dem stickigen Zimmer schlich.
     
    Problem Nummer zwei: Paul meldet sich nicht. Es ist wie verhext. Ich bin es ja gewöhnt, dass er Dates mit mir absagt. Aber ich dachte, das sei nur zu Anfang unserer Bekanntschaft so gewesen. Himmel, er weiß, was ihn erwartet, oder? Wir haben uns einen Monat und viele Feiertage lang nicht gesehen! Ihn erwartet eine sexuell ausgehungerte, mit wilden Phantasien angefüllte, verliebte Frau! Wenn ich nur ein Drittel von dem wahr mache, was ich in meinen SMS der letzten Nächte geschrieben habe, ist er der glücklichste Mann der Welt. Selbst wenn er nurSex von mir will – was hält ihn davon ab, den heute Abend zu bekommen? PAUL! Argh. Wo sind meine Pfefferminztaler?
     
    So, Marie, nun ist aber Schluss mit Durch-die-Wohnung-Tigern und laut «Jetzt ist gut» von Such a Surge hören. Du hast noch eine kleine, zweigeteilte Chance. Du musst dein Exposé bis 20   Uhr fertig bekommen, und Paul muss sich melden. Letzteres nützt dir nur etwas, wenn Ersteres gelingt. Also: an die Arbeit!
     
    Ich klappe das Notebook auf und beginne mit der Arbeit. Gott, ist das trocken. Dauernd spuken mir Pauls Sätze von vorgestern Nacht durch den Kopf. «Ich hake deinen BH auf und streife ihn dir ab. Dann küsse ich sanft deine Brüste   …» HAAAAALT! So kann ich nicht arbeiten! Ganz bestimmt wird niemand sanft meine Brüste küssen, wenn ich das jetzt nicht hinkriege!
     
    Sieben Stunden später gebe ich auf. Ich habe ungefähr 165   PostIts in meine Bücher geklebt, zwei Bleistiftenden zerkaut, mir zweimal etwas Gesundes zu essen gekocht, danach sofort abgespült, war im Supermarkt, um Pfefferminztalernachschub zu besorgen, habe eine Schachtel Zigaretten auf dem Balkon geraucht. Und 642   Zeichen in das leere Word-Dokument auf meinem Bildschirm getippt. 112   Wörter, 2   Absätze, 13   Zeilen. Zu wenig Zeilen. Es reicht nicht. Ich schaffe es nicht. Nicht heute. Muss eine Nachtschicht einlegen. Es ist fünf Uhr nachmittags, und ich kapituliere.
    Ein Blick auf mein Handy. Keine neue Kurzmitteilung erhalten, kein Anruf in Abwesenheit. Keine E-Mail . Kein Wort von Paul. Ich tippe in mein Mobiltelefon: «Hallo, Paul. Ich muss bis morgen früh das Exposé meiner Magisterarbeit abgeben. Können wir unser Treffen verschieben? Es tut mir so Leid. Kuss, Marie». JAAAA, es tut mir Leid. Es reißt mir das Herz heraus. Es bringt mich um. Aber es geht nicht anders. Ach, Paul. MISTMISTMIST.
    Er antwortet nicht. Ach so, ich sollte die SMS vielleicht auch abschicken. Kein Problem. Nummer suchen   … Paul. Senden. Wirklich senden? Komm, Marie, drück auf «Ja». Ist nicht schwer. Und muss sein. Komm. Eins, zwei, zweieinhalb   … Drei. «Kurzmitteilung gesendet». HEUL.
     
    «Es ist gut so, Marie», sagt das Engelchen auf meiner rechten Schulter, «es war allerhöchste Zeit, dass du ihm auch mal absagst! Wie oft hat er dich versetzt? Dreimal?» Ja doch, ich weiß das. Sogleich meldet sich Teufelchen von der linken Seite: «Das ist doch egal! Vergeben und vergessen! Mann, was hättet ihr für einen Spaß haben können heute Nacht. Endlich mal genug Zeit. Stundenlanger, hemmungsloser Sex. Zusammen duschen. Und dann weiter, bis ihr endlich erschöpft und ineinander verschlungen eingeschlafen wärt. Um am nächsten Morgen aufzuwachen und richtig schönen, langsamen, noch etwas verschlafenen Guten-Morgen-Sex zu haben   …» Halt die Klappe, fauche ich und schnippe ein Haar und das Teufelchen von meiner linken Schulter. Es flattert höhnisch lachend davon, und ich höre es aus der Küche kichern: «Stattdessen wirst du die ganze Nacht vor deinem Computer sitzen und tiefe Einsichten über die Geschlechterdifferenz in Marlen Haushofers Romanwerk in die Kiste tippen   … Wirklich sehr sexy   …»
     
    Paul antwortet nicht. Ob er sehr sauer ist? Bevor ich nachdenken kann, habe ich schon «Bist jetzt sauer? Tut mir echt super Leid!» in mein Handy getippt und abgeschickt. Ich Depp. Ich

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