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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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nach links, also gehe ich nach rechts, denkt Lewadski und greift nach der Türklinke. Eine Gelächterwand türmt sich vor ihm auf, der Raum rechts ist voller grauhaariger wohlbeleibter Frauen, die sich aus strategischen Gründen nah an den Büfetttisch gesetzt haben. »Ich bedauere«, bedauert der Kellner, der Lewadski wiedererkennt, »grüß Gott, ich bedauere, aber wir haben eine amerikanische Gruppe.«
    »Eine Grippe?« Die brüllende Wand neigt sich auf den Kellner und Lewadski zu.
    »Nein, eine Reisegruppe!« Das sei nicht schlimm, er werde schon einen Tisch finden, muntert ihn Lewadski auf.
    »Kaffee wie gestern?« Lewadski nickt.
    »Bringe ich an Ihren Tisch!«, verspricht der Kellner, und weg ist er.
    Der Raum nebenan ist erfüllt von Herrn Witzturns verbissenem Zeitungsgeraschel und dem Besteckklappern eines weiblichen Wesens mit einem nicht sehr überzeugenden Aufstand ihrer schütteren Haare. »Wir können froh sein, dass wir beide diese eine Sorge weniger haben!«, sagt Lewadski zu Herrn Witzturns Zeitung.
    »Wie bitte?« Über der Zeitung wird die markante Augenpartie von Herrn Witzturn sichtbar. Lewadski deutet mit einem Mundwinkel zu der seltsamen Frisur der einsamen Dame einige Tische weiter. »Sie sind nicht nur menschen-, sondern auch frauenfeindlich, Herr Dawalski.«
    »Mein Name ist Lewadski, Herr Turnwitz. Erlauben Sie?« Lewadski schaut hoffnungsvoll auf den gepolsterten Stuhl neben Herrn Witzturn. »Danke«, sagt Lewadski, bevor Herr Witzturn bitte sagen kann und nimmt ächzend Platz. Herr Witzturn lässt den Wirtschaftsteil in seinen Schoß sinken und schaut enttäuscht in die Ferne, in die ihm etwas Kostbares davonzueilen scheint.
    »Sie sind ...«
    »Ich wollte mich entschuldigen ...«
    »Sie sind ein ...«
    »... für mein Benehmen.«
    Herr Witzturn lässt den Satz unkommentiert im Raum stehen. »Ich bin ein einsamer alter Mann«, setzt Lewadski fort, »und recht selten unter Menschen. Meine soziale Ader verkümmert seit Jahrzehnten.« Herr Witzturn hört mit leicht geneigtem Kopf zu und streichelt den Griff des Messers, das neben seinem leeren Teller liegt. »Sie haben ja noch gar nichts gegessen!«, entsetzt sich Lewadski.
    »Ja«, antwortet Herr Witzturn heiser, »ich habe Angst vor der Reisegruppe am Büfett.«
    »Amerikaner«, Lewadski zuckt mit den Schultern, »wir können gerne gemeinsam zum Büfett gehen!« Herr Witzturn lässt seinen Blick durch den Raum schweifen. Eine Tür ist nicht in Sicht, also willigt er ein.
    »Ich verstehe nicht«, gesteht Herr Witzturn, »warum das weibliche Geschlecht im Alter auf seine Haarpracht verzichtet. Sie sehen ja aus wie Männer!«
    »Wer ist denn frauenfeindlich von uns beiden?«, scherzt Lewadski.
    »Nein, im Ernst, mir ist die Dame mit der albernen Nestfrisur da drüben viel lieber als diese geschorenen Hühner.«
    »Olala!«, freut sich Lewadski, »Sie geraten ja in Rage! Ein Segen, dass die Damen so laut brüllen. Und hätte sich eine von ihnen je die Mühe gemacht, eine Fremdsprache wie Deutsch zu erlernen, würde uns der lustige Damenclub im Nu auseinandernehmen wie zwei alte Reisewecker!«
    Herr Witzturn schließt die Augen, öffnet den Mund und gibt ein melodisches Bellen von sich. Lewadski lacht auch. Mit seiner Lupe bewaffnet, inspiziert er kichernd die aufgestellten kalten und warmen Platten am Büfetttisch.
    »Gestern kam ich so spät herunter, da spielte zwar das Klavier, aber das Frühstück war schon vorbei«, erzählt Lewadski, ausgebreitete Fetzen von Lachs in Dillspinnweben begutachtend.
    »Was haben Sie dann gegessen?«
    »Torte. Schokoladentorte.«
    »Nicht übel. So, ich gehe jetzt zurück zum Tisch. Ohne meinen Stock fällt es mir schwer zu stehen.« Lewadski schaut auf den reisefertigen Teller von Herrn Witzturn. Kein Wunder, der wiegt mindestens ein Kilo, will er sagen, reißt sich aber zusammen und lobt die schöne Komposition.
    »Und die kleine saure Gurke auf der Spitze des Turms ist die Krönung! Glück auf!«
    Was soll ich denn essen, denkt Lewadski von den Kurzhaarfrisuren hart bedrängt. Ein gekochtes Ei kann sich als kaltes hartes Ei entpuppen, lieber nicht. Einen Obstsalat? Kinderkram. Vitamine nützen mir schon lange nichts mehr. Eine Hirschpâté, eine Leberpâté mit grünem Pfeffer, einen schimmligen Franzosenkäse? Ein Radieschen dazu, eine hoffentlich vom Kellner vorgeschnittene Scheibe Brot. Jawohl.
    Als Lewadski an den Tisch kommt, ist Herr Witzturn damit beschäftigt, eine Zitronenscheibe über seinem

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