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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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Habib im Flur singen.
    Ich kann die Hufe nicht abschneiden, überlegt Lewadski, ich kann nur zu meinem kosmetischen Fehler stehen. Und waschen kann ich sie. Lewadski trampelt ins Badezimmer und taucht die Hufe in die vollgelaufene Wanne. Dicker Dampf steigt zur vergoldeten Kuppeldecke.
    »Hölle, Hölle, Hölle!«, singt Habib im Schlafzimmer.
    »Wieso ist er zurückgekommen?« Der Dampf wird immer dichter, das Wasser wirft grünliche Blasen, die quälend lange schimmern, bevor sie platzen. Doch Lewadski lässt sich nicht beirren. Festgekrallt am Rand der Badewanne sitzt er und lässt seine Hufe in die Brühe baumeln.
    »Hölle, Hölle!«, singt Habib. Das Platzen der Blasen wird immer lauter. Es schwillt zum Kanonendonner an.
    »Verdammt, es ist Krieg!« Lewadski versucht, seine Hufe aus der Badewanne zu ziehen.
    »Fürs Vaterland! Fürs Vaterland, aus Berg und Tal, frisch fröhlich auf!«, tönt Habib aus dem Schlafzimmer.
    Lewadski zittert vor Erschöpfung. Seine Beine vermag ernicht mehr zu heben. In einer grünlichen Blase erkennt er plötzlich das akkurat rasierte Gesicht seines neuen Bekannten aus dem Aufzug. »Herr Witzturn! Es ist Krieg!«, jammert Lewadski.
    »Komm, Bruder, reich mir deine Hand!«, hört er Herrn Witzturn mit Stechmückenstimme aus der Blase piepsen.
    »Fürs Vaterland! Fürs Vaterland!«, jodelt Habib durch die Badezimmertür, »das Land, wo unsre Wiege stand ...«
    Lewadski streckt seinen Finger der grünlichen Blase entgegen. »Und was, wenn Sie zerplatzen?«
    »Keine Angst, bald sind die Tage ohne Eis und Pulverschnee. Bitte!«, fleht Herr Witzturn aus seinem filigranen Versteck. Lewadski zögert. Die Wasserblase zittert gefährlich. »Schnell, Bruder, reich mir deine Hand!« Lewadski führt seinen Finger zur Plastiknase von Herrn Witzturn, immer näher und näher.
    »Fürs Vaterland, fürs Vaterland!«, grölt Habib in Lewadskis Ohr. Der Finger zuckt und zersticht die Blase.
    »Herr Lewadski!« Habibs Glacéhandschuh umklammert Lewadskis Handgelenk, während Lewadski von einem Hustenanfall geschüttelt wird. »Sie haben geschnarcht«, erzählt Habib in den Hustenpausen, »und dann haben Sie sich im Schlaf verschluckt. Soll ich klopfen?« Lewadski schüttelt den Kopf.
    »Meinen Sie, Sie könnten mir, e-heeem, für heute Abend zwei Karten besorgen?«
    »Aber sicher. Eine Dame?« Habib rollt galant mit den Augen.
    »E-he-hem«, räuspert sich Lewadski, »der Herr aus dem Aufzug. Frauen, he-ehem, sind mir, waren mir immer suspekt, Menschen übrigens auch. Männer insgesamt, meine ich.«
    »Verstehe.« Wolkenschleier ziehen über Habibs Mondgesicht.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, he-hemm, Habib, ich binkein Weiberheld, und wo ich berufstätig war, habe ich mit den Kollegen, he-hem-heeeheem, notgedrungen getrunken.«
    »Verstehe«, wiederholt Habib noch leiser.
    »Und nun bin ich hier, Habib, der Musikverein ist hinter mir, über mir in einer der oberen Etagen gönnt sich mein Bekannter aus dem Aufzug, ein äußerst liebenswürdiger Herr, ein Nickerchen, nicht wahr. Morgen reist er ab. Ich sehe ihn nie wieder. Warum, in Gottes Namen, sollte ich ihn nicht ins Konzert einladen und ihm eine Freude bereiten?«
    »Ich besorge Ihnen die Karten.«
    »Die Musik«, fügt Lewadski mit einem vor Wonne zugekniffenen Auge hinzu, »wischt alle Missverständnisse weg. Sie fegt über die Welt!« Habib schaut diskret auf die Uhr. »Sie fegt über die Welt als einzige, einzige Wahrheit, Habib!«
    »Ja.« Der Butler seufzt.
    »Ich kenne den Herrn nicht. Doch es spielt keine Rolle. Wir sind«, Lewadski sucht nach Worten, »wir sind Symbole.«
    »Wofür?«
    »Na ja, Symbole für die, ehem, für jene, für die ...«, Lewadski kratzt sich am kahlen Schädel, »für die, die wir hätten werden können. Für die, die wir sind!«
    »Hoffen wir, dass Ihr Freund kann«, bemerkt Habib vorsichtig.
    »Wieso soll er nicht können? Schließlich haben wir uns heute Abend in der Maria-Theresia-Bar verabredet.« Lewadski blickt zum Telefon. »Wären Sie so freundlich herauszufinden, in welchem Zimmer Herr Witzturn wohnt?«
    Habib telefoniert mit dem Concierge. »Der Name ist Witztruhn. Witz...«
    »Turn!«, verbessert ihn Lewadski.
    »Turn, Witzturn, ja. Ja. Danke. – Wir werden verbunden.« Lewadski müht sich aus dem Sessel heraus.
    »Ach, Habib, fragen Sie ihn doch, ob er heute Abend ...«
    »Ja, grüß Gott, Rezeption. Entschuldigen Sie die Störung um die ...«, Habib schaut auf die Uhr, »Mittagszeit. Der Herr, mit

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