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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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Lachs auszudrücken. Das Besteckklappern am Tisch der Dame mit der Nestfrisur hat sich inzwischen in ein monotones Rühren in der Tasse verwandelt. Der Kellner hat Lewadski nicht vergessen – der bestellte Kaffee steht in einem Silberkännchen auf dem Tisch. »Was ich Sie im Aufzug eigentlich fragen wollte ...«
    »Tüchtig«, unterbricht ihn Herr Witzturn und deutet anerkennend auf Lewadskis Teller.
    »Wonach ich Sie fragen wollte, als Sie den Aufzug betraten«, setzt Lewadski fort, »war die Zeit. Meine Uhr ist nämlich stehengeblieben.«
    »Es ist Punkt zehn.« Lewadski bedankt sich, indem er laut schmatzt.
    »Das ist eine sehr gute Idee!«, bemerkt Herr Witzturn, als die Lupe in Lewadskis Hand aufblitzt.
    »Ja, so sieht man wenigstens die Zeiger«, scherzt Lewadski, »wo die Ziffern sind, lernt man im Lauf des Lebens, nicht wahr?«
    »Sie erinnern mich an meine erste Frau«, verrät Herr Witzturn, während er sich ein zusammengerolltes Salatblatt in den Mund schiebt.
    »Hatte sie auch eine Lupe?«
    »Nein, Krebs.«
    »O Gott«, Lewadski lehnt sich im Stuhl zurück, »ich bedaure.«
    »Ja, ich auch. Es ist eine Plage. Die zweite hatte auch Krebs. Eine dritte zu nehmen habe ich mich nicht getraut.«
    »Wie schrecklich!«, Lewadski legt die Lupe auf den Tisch, »vielleicht bin ich deswegen Junggeselle geblieben ...«
    »Es ist nie zu spät«, sagt Herr Witzturn zu einem walnussgroßen Olivenauge, bevor er es verschlingt. »Kernlos«, fügt er nach behutsamem Kauen hinzu.
    »Für mich, Herr Witzturn, ist es zu spät.«
    »Dann essen Sie wenigstens.«
    »Ich nehme an«, sagt Lewadski beim zweiten Kännchen Kaffee, »wir waren mal Feinde ...«
    »Ach, vergessen wir den Vorfall!«, winkt Herr Witzturn mit der gestärkten Serviette ab.
    »Ich meine nicht die Angelegenheit im Aufzug, ich meine«, Lewadski senkt den Blick zu Boden, »den Krieg.« Herr Witzturn besteht weiterhin darauf, den Vorfall zu vergessen.
    »Wir sind«, sagt er und legt die Serviette in den Schoß, »niemals Feinde gewesen.«
    »Es ist mir peinlich«, Lewadski zerbröselt eine Hälfte von Herrn Witzturns Brötchen, der mit starrem Blick das Geschehen verfolgt, »sehr peinlich, dass ich mich so unmöglich benommen habe im Aufzug. Weiß Gott, was in mich gefahren ist. Hätte ich gewusst, dass Sie Witwer, doppelter Witwer sind ...«, Lewadski hebt den Finger zur Stuckdecke.
    »Fällt Ihnen nichts auf?« Die trüben Augen von Herrn Witzturn versuchen Lewadski zu hypnotisieren. Lewadski greift zur Lupe. »Was soll mir auffallen? Ich sehe nichts. Oh!«
    »Was sehen Sie?«
    »Sie haben einen Pickel. April, April!«
    »Sehr lustig. Sehen Sie nichts?« Die Stimme von Herrn Witzturn bekommt einen beleidigten Tonfall. Lewadski betrachtet ihn weiter durch die Lupe.
    »Sie haben blaue Augen. Grüne. Und eins, zwei, drei, vier, sechs geplatzte Äderchen auf beiden Wangen. Fällt kaum auf.«
    »Was noch?«, fordert Herr Witzturn ungeduldig.
    »Sie waren ein schöner Mann«, sagt Lewadski, »und jetzt, woSie lächeln, sehe ich, dass Sie Dill zwischen den Zähnen haben.«
    »Sehr nett«, bedankt sich Herr Witzturn und trinkt einen Schluck Tee, den er dezent und länger als nötig im Mund behält. »Und jetzt?«
    »Schon weg.«
    »Sie sind auf beiden Augen blind, Herr Lewadski, wenn ich das bemerken darf.« Lewadski steckt die Lupe in die Hosentasche. »Sie sehen nicht, dass ich eine Plastiknase habe.«
    »Sie verblüffen mich aber!« Lewadski greift wieder zur Lupe und schaut angestrengt. »Kann sein.«
    »Es ist so! Wie können Sie es nicht bemerkt haben?«
    »Na ja«, rechtfertigt sich Lewadski, »Ihre Nase ist mir schon aufgefallen, ich dachte mir, nichts Außergewöhnliches, der Herr ist dem Geist der Flasche zugetan. Schließlich komme ich aus so einem Kulturkreis. Solche Nasen sieht man im Sommer auf vielen Parkbänken sitzen.« Lewadski betrachtet die Nase von Herrn Witzturn, die aus Plastik sein soll. »Und wo ist die Schnur?«
    »Das ist eine Magnetnase, sie wird von drei Magneten gehalten«, sagt Herr Witzturn und verschränkt die Arme vor der Brust.
    »Haben Sie Ihre Nase an der Front verloren?«
    »Krebs«, sagt Herr Witzturn trocken und wischt sich den Mund mit der Serviette ab.
    »Was haben Sie heute Abend vor?«
    »Nichts«, sagt Herr Witzturn und lacht plötzlich auf. »Ich lache, weil Sie sich eben die Nase geputzt haben!«
    »Habe ich?«
    »Ja, mit der Serviette«, verrät Herr Witzturn immer noch lachend.
    »Ja, ich weiß, ich weiß, man macht das

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