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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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nicht. Entschuldigung.«
    »Sie haben sie ja nur ein bisschen abgetupft.«
    »Aber trotzdem«, entgegnet Lewadski energisch, »man macht das nicht. Ich werde alt!«
    »Ach was, freuen Sie sich!«, lacht Herr Witzturn heiser, »freuen Sie sich, dass Sie Ihre Nase nach Lust und Laune ...«, Lewadski grinst, Herr Witzturn hält sich vor Lachen den Bauch, »... nach Strich und Faden ...«, Lewadski lacht vorsichtig mit, »... nicht zu knapp und nach Herzenslust, oh, ich kann nicht mehr, mein Herz! ...«, Herr Witzturn drückt seinen Bauch fester, »... nach allen Regeln der Kunst ausrotzen können! Verzeihen Sie den Ausdruck«, fügt Herr Witzturn verweint hinzu.
    »Was haben Sie also heute Abend vor? Oder reisen Sie etwa nach dem Frühstück schon ab?«
    »Nein, ich bleibe bis morgen, heute Abend wollte ich die Maria-Theresia-Bar unsicher machen.« Herr Witzturn lächelt Lewadski an. Es hängt immer noch Dill zwischen den Vorderzähnen, doch Lewadski beschließt, dies nicht zu annoncieren. Wird beim Teetrinken schon von alleine verschwinden, denkt er und lächelt Herrn Witzturn an.
    »Sie haben Dill zwischen den Zähnen«, sagt Herr Witzturn mit besorgtem Gesicht.
    »Sie auch«, antwortet Lewadski verdrossen.
    »Dann bis heute Abend.«
    »Ich leiste Ihnen Gesellschaft!«
    »Gerne. So eine lustige Gesellschaft habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Die Ehre gehabt zu erleben«, verbessert sich Herr Witzturn und steht langsam auf.

3
    ZIMMER / ROOM 302-336
    »Oh, Habib, Sie sind ja immer noch da!« Habib lächelt das Paar Schuhe an, das er eben mit der Glanzbürste bearbeitet hat. Es dauert eine Weile, bis Lewadski Habibs Blick folgt. »Danke schön! Ein frisch geputztes Paar Schuhe kann ich jetzt gut gebrauchen. Ich habe nämlich im Aufzug einen sehr netten Herrn kennengelernt. Wir treffen uns heute Abend an der Bar.«
    »An der Bar sieht man Ihre Schuhe aber nicht so gut, im Konzert wäre es anders. Da stolzieren Sie in der Pause auf und ab, bei Gala-Beleuchtung!« Habib rudert mit den Armen, als würde er marschieren. »Und jeder sieht: Die Schuhe sind geputzt.«
    »Gibt es ein Konzert im Hotel?«
    »Nein, aber gleich hinter dem Hotel im Musikverein.«
    »Ach! Ach Gottchen ...« Lewadski spürt, wie eine eisigeRaupe scharf geschliffene Eier, eins nach dem anderen, in eine seiner Herzkammern legt. »Der Musikverein ...«
    »Ist direkt hinter dem Hotel.«
    »Ich weiß, ich weiß, ich habe es nur vergessen ...«
    Lewadski geht durch das Zimmer und bleibt am Fenster stehen.
    »Auf der anderen Seite, hier ist die Ringstraße«, erklärt Habib.
    »Ja, natürlich, hinter dem Hotel. Ich war dort.«
    »Sie waren dort?«
    »Ja, es ist ewig lange her.« Lewadski muss sich setzen. Er reicht Habib seinen Stock. »Der Musikverein ...«
    »Jeden Tag ein Konzert.«
    »Heute Abend auch?«
    »Ja, mehrere, eines im Gläsernen Saal, eines im Steinernen, eines im Metallenen, im Goldenen eins ...«
    »Goldener Saal!«, stöhnt Lewadski, »goldener Klang ...«
    »Wenn Sie Karten möchten, besorge ich sie Ihnen gerne«, sagt Habib mit Lewadskis Stock in der Hand, »der Musikverein ist ein Muss, erst recht, wenn man so schön residiert wie Sie.«
    Vor dem im Sessel wegdösenden Lewadski wächst der Butler zum Gebirge heran. »Damals mit den Großtanten ...«, stöhnt Lewadski, »eine lange Hose hat man mir genäht extra für den Musikverein ...« Lewadskis Augenlider im Sonnenlicht, papierdünn, beben bei jeder von Habibs Bewegungen. Oder sind es die Baumäste, die vor dem Fenster im Wind schaukeln? Hinter Lewadskis Lidern wird es noch heller. »Und das kleine Meischen«, murmelt Lewadski, »hören Sie, wie es schlägt! Zib-zib-zib, unaussprechlich schlägt es. Es schlägt Mittnach...«
    Kraftlos rutscht Lewadskis Kinn auf die Brust. Sein rechtesOhr neigt sich zur Schulter, als wollte sein linkes lauschen, was im oberen Stockwerk des Hotels passiert. Im Traum bestätigt sich Lewadskis Verdacht. Er zieht seine Strümpfe aus und überzeugt sich, dass die Füße, die sich ungewöhnlich hart anfühlen, tatsächlich Hufe sind. Über seine Schulter summt Habib eine Art Beschwörung. »Trampel, Trampel, Trampeltier, eine Blume schenk ich dir, weiß, gelb und rosarot, morgen bist du sicher tot!«
    »Hören Sie auf!«, unterbricht ihn Lewadski, »es ist nicht lustig.« Habib entschuldigt sich, er habe nur helfen wollen. Mit schwingenden Hüften tänzelt er zur Tür und verlässt das Zimmer.
    »Trampel, Trampel, Trampeltier ...«, hört Lewadski

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