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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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dem Sie heute Abend in der Maria-Theresia-Bar verabredet sind, lässt fragen, ob es Ihnen Vergnügen machen würde, mit ihm stattdessen in ein Konzert zu gehen. Ja. Ja. Klassische Musik. Jawohl. Wiener Symphoniker. Wir geben gleich Bescheid, wann es losgeht. Besten Dank. Ja, besten Dank. Richte ich gerne aus. Danke. Mache ich. Mache ich. Auf Wiederhören.«
    »Er wird Sie mit Freude begleiten, aber«, Habib hebt den Zeigefinger, »er lässt ausrichten, das Konzert befreie Sie nicht von der Bar!«
    »Hat er wirklich mit Freude gesagt?«
    »Ja, mit größter Freude, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Mit größter Freude!« Lewadski klopft sich auf den dünnen Oberschenkel. »So einen Menschen habe ich kennengelernt. Im Aufzug!«
    »Hier, das Programm«, Habib schwenkt eine Zeitschrift, » Wohin in Wien , Wiener Musikverein, November. Heute ... Heute, Mittwoch, 10. November 2010, 19:30 Uhr, Fe-do-se-jev. Vladimir Fedosejev, Dirigent, Alexander Glasunow, da haben wir ihn, Ihren Glasunow, Konzertwalzer Nr.1 D-Dur, op. 47 und Konzert für Alt-Saxophon und Streicher Es-Dur, op. 109, und nach der Pause Hector Berlioz, Symphonie fantastique, op. 14, Episoden aus dem Leben eines Künstlers ...«
    »Das hört sich gut an!«, freut sich Lewadski, »rufen Sie an!«
    »Ja, grüß Gott, Rezeption noch einmal. Um 19:30 Uhr geht es los. Vladimir Fedosejev, Dirigent, Alexander Glasunow, Konzertwalzer und Konzert für Saxophon und Streicher, Hector Berlioz, Symphonie fantastique, Episoden aus dem Leben eines Künstlers. Um 19 Uhr könnten die Herrenlangsam aufbrechen. Das Gebäude des Musikvereins ... ja, 19 Uhr, das Gebäude des Musikvereins ist direkt ... genau, 19, sieben Uhr, ist direkt hinter dem Hotel. Sie wissen Bescheid. Natürlich. 19 Uhr im Foyer«, wiederholt Habib und nickt Lewadski quer durch das Zimmer zu, »viel Vergnügen. Auf Wiederhören.«
    »Warum haben Sie Rezeption gesagt? Sie haben doch von meinem Zimmer aus angerufen.«
    »Ihr Freund, Herr Witzturn. Zu seinem Zimmer gehört kein Butlerservice.«
    Lewadski stemmt sich nach einigen vergeblichen Anläufen aus dem Sessel. Lächelnd und ernst steht er vor Habib, der sich kleiner macht, indem er den Blick senkt. »Sie sind ein wunderbarer Mensch, Habib.« Würde der Butler jetzt seinen Blick vom Parkett heben, blickte er in Lewadskis feuchte Augen.
    »Ruhen Sie sich aus vor dem Konzert«, empfiehlt Habib und verabschiedet sich, um die Karten zu besorgen.
    So ein taktvoller junger Mann! Lewadski betrachtet sich in der Spiegeltür seines Schlafzimmers. Der Anzug war ein guter Kauf. Und der Spazierstock auch. Den Stock von Herrn Witzturn werde ich mir heute Abend bei Gelegenheit unauffällig durch die Lupe anschauen. Lewadski trottet ans Fenster, eine Straßenbahn in Rot, Hellgrau und Grau schwimmt über die Gleise.
    Du willst richtig Urlaub machen?, fragt die Aufschrift am ersten Waggon. Tunesien, nur zwei Flugstunden von hier. Erlebe deine Träume!
    Wenn Herr Witzturn heute Abend in die Hände klatscht, ergreife ich die Gelegenheit und schaue mir seinen Spazierstock an, denkt Lewadski.
    Ich gehe meinen Weg, verkündet die Aufschrift an der rotenStraßenbahn älteren Jahrgangs auf der anderen Straßenseite, vienna-businesschool.at
    So viel Herzenstakt kann ein Menschenwesen gar nicht haben wie dieser Habib, denkt Lewadski, wie ein Tier, ja, wie ein Tier hält er mir einen Spiegel vor, den Spiegel meiner eigenen Mickrigkeit.
    Toifl Textilpflege wartet blinkend mitten auf der Straße und biegt zum Hintereingang des Hotels ab. 15 Jahre Grünefeldt-Insektengitter riecht am Auspuff des kleinen Lieferwagens Nordsee. Fisch verliebt.
    An Habibs Stelle wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, mich als Rezeptionist zu melden, so viel Rücksicht, so viel Feingefühl, so viel ungespielte Anteilnahme! Nur um Herrn Witzturn nicht zu erinnern, dass es in diesem Hotel noch Privilegiertere gibt als ihn. Oder vielleicht um mich nicht als Angeber bloßzustellen? Lewadski starrt auf den Schriftzug der Straßenbahn, die vor seinem Fenster langsam zum Stillstand kommt. Keiner hat sich ausg’sucht, wo er auf die Welt kommt. Die verrückte Welt der Ute Bock. Wahrscheinlich hat Herr Witzturn genügend Größe, sich in einem Klassik-Zimmer und ohne Butler keinen Deut kleiner zu fühlen. Aber man weiß es nie. In unserem Alter ...
    Das Klingeln des Telefons lässt ihn hochschrecken. Habib ist in der Leitung, die Karten habe er besorgt. Reihe 1, Platz 3 und 4, Parterre-Loge rechts, Sekt in der

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