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Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen

Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen

Titel: Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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hinaus. Die Benommenheit der ersten Tage nahm ab, und Lucy ertappte sich dabei, dass sie ihn beobachtete.
    Panda sog den moschusartigen Duft der Sümpfe in seine Lungen. Er hatte zu viel Zeit zum Nachdenken – zu viele Erinnerungen drängten nach oben –, und jeden Tag wuchs sein Groll.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie es länger als ein paar Stunden aushalten würde, aber sie war immer noch hier, sieben Tage nachdem er sie aufgelesen hatte. Warum tat sie nicht das, was sie tun sollte? Nämlich nach Wynette zurückkehren oder nach Hause nach Virginia. Es kümmerte ihn einen Dreck, wohin sie ging, solange er sie los war.
    Er konnte sie nicht verstehen. Sie hatte diese erbärmliche Scheinvergewaltigung schnell durchschaut, die er am zweiten Abend in diesem Motel inszeniert hatte, und sie tat so, als würde sie die Hälfte der Beleidigungen nicht hören, die er ihr an den Kopf warf. Sie war so kontrolliert, so diszipliniert. Das Verhalten an ihrem Hochzeitstag sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Und trotzdem …
    Hinter den guten Manieren erhaschte er hin und wieder einen Blick auf etwas – jemanden – Komplexeres. Sie war klug, zum Verrücktwerden scharfsinnig und stur wie ein Esel. An ihr haftete kein Schatten wie an ihm. Er würde jede Wette eingehen, dass sie noch nie schreiend aus dem Schlaf hochgeschreckt war. Oder getrunken hatte bis zur Bewusstlosigkeit. Und als Kind … Als Kind war sie imstande gewesen, wozu er nicht imstande gewesen war.
    Fünfhundert Dollar. Mehr war sein Bruder nicht wert gewesen.
    Durch den Schrei einer Sumpfkreatur hörte er die Stimme seines achtjährigen Bruders, als sie den steinigen Gehweg entlangmarschiert waren zu der nächsten Pflegestelle und ihre Sozialbetreuerin die knarrenden Verandastufen vor ihnen hochstieg. Was, wenn ich wieder ins Bett mache?, hatte Curtis geflüstert. Deswegen sind wir aus dem letzten Haus geflogen.
    Panda hatte seine eigene Angst hinter der Großspurigkeit eines Fünfzehnjährigen verborgen. Mach dir darüber keine Gedanken, Dumpfbacke, hatte er gesagt und Curtis spaßhaft geboxt. Ich werde dich nachts aufwecken und ins Bad bringen.
    Aber was, wenn er verschlief wie letzte Woche? Er hatte sich fest vorgenommen, nicht einzuschlafen, bis er Curtis zum Pinkeln aus dem Bett gescheucht hatte, aber er war trotzdem eingenickt, und am nächsten Tag hatte die alte Lady Gilbert dem Jugendamt erklärt, dass es einen anderen Platz für Curtis finden müsse.
    Panda hatte unter allen Umständen verhindern wollen, dass sein kleiner Bruder von ihm getrennt wurde, er hatte seiner Betreuerin damit gedroht wegzulaufen, wenn sie auseinandergerissen würden. Sie hatte ihm wohl geglaubt, denn sie fand eine neue Familie für sie. Aber sie hatte ihn gewarnt, dass es keine weiteren Pflegeltern mehr geben würde, die bereit waren, sie beide aufzunehmen.
    Ich habe Angst, hatte Curtis geflüstert, als sie die Veranda betraten. Hast du auch Angst?
    Ich habe nie Angst, hatte er gelogen. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.
    Ein großer Irrtum.
    Panda blickte hinaus auf das dunkle Wasser. Lucy war vierzehn gewesen, als ihre Mutter starb. Hätten Curtis und er zufällig Mat und Nealy Jorik kennengelernt, wäre sein Bruder noch am Leben und läge nicht in einem Grab. Lucy hatte geschafft, was ihm nicht gelungen war – sie hatte ihre Schwester beschützt und in Sicherheit gebracht, Tracy bereitete sich auf ihr erstes Collegejahr vor.
    Curtis hatte sich einer Bande angeschlossen, als er gerade einmal zehn gewesen war, etwas, das Panda hätte verhindern können, wenn er nicht im Jugendgefängnis gesessen hätte. Sie hatten ihn nur herausgelassen, damit er an der Beisetzung seines kleinen Bruders teilnehmen konnte.
    Er zwinkerte heftig. Erinnerungen an Curtis riefen nur weitere Erinnerungen hervor. Es wäre einfacher, nicht ins Grübeln zu verfallen, wenn er zur Ablenkung Musik hätte, aber er konnte sich kein ernstes Drama wie Otello, Boris Godunov oder ein Dutzend andere Opern anhören, solange Lucy in der Nähe war. Solange irgendjemand in der Nähe war.
    Er wünschte, sie würde herauskommen und mit ihm reden. Er wollte sie nah bei sich; er wollte sie fern von sich. Er wollte, dass sie abreiste, blieb, sich auszog – er konnte nicht anders. Den ganzen Tag mit ihr zusammen zu sein würde jeden Mann auf die Probe stellen, besonders einen geilen Mistbock wie ihn stellte es auf die Probe.
    Er rieb sich den Nasenrücken, zog sein Handy aus der Hose und ging damit auf die Seite

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