Wer Liebe verspricht
Lichtstrahl, an den sie sich hartnäckig klammerte.
Jai liebt mich!
Daran änderten seine Motive nichts, auch nicht die bittere Trennung. Er war vielleicht kaum fähig, Liebe anzunehmen und zu erwidern, aber sie wußte, er liebte sie. Er konnte sie verhöhnen, verspotten und verleugnen, aber in einem Winkel seines versteinerten Wesens hatte er ein Herz. Und Olivia zweifelte nicht daran, daß er ebenso litt wie sie. Es gab das Band, das sie wie seidene Fesseln aneinanderkettete! Das konnte er nicht abstreiten. Sie würde es nie zulassen.
Im Augenblick mußte Olivia alles ertragen, auch die ohnmächtige Verzweiflung, von ihm abgewiesen worden zu sein. Aber sie wußte, sie würde Jai wiedersehen. Was das Schicksal auch bestimmt haben mochte, keine Macht der Welt durfte wagen, ihr das zu verwehren.
Den Garten durchzogen starke und erregende Gerüche. Gedankenverloren atmete Olivia den Duft von frisch gemähtem Gras ein, die leichte Brise vom Fluß, den Reichtum der blühenden Natur. Der Winter stand bevor, und den Garten erfüllte neues Leben, hüllte ihn in die Pracht der kalten Jahreszeit. Hibiskus, Dahlien und Chrysanthemen entfalteten riesige Blüten so groß wie Früchte. Die weiße, rosa und violette Bougainvillea zauberte nach den schweren Regenfällen betörende bunte Wände. Ringelblumen, Wicken, Löwenmäulchen und Gladiolen füllten die Beete. Nachtigallen sammelten zwitschernd Zweige für ein Nest. Eine Schar Papageien turnte krächzend in den Bananenbäumen, und ein einsamer Königsfischer saß meditierend auf einem Pfosten. Die blaue Vanda blühte in Olivias Rücken und schien sich insgeheim über sie lustig zu machen.
Eine Kutsche fuhr rumpelnd durch das Tor und die Auffahrt entlang. Noch ehe sie vor dem Säulengang hielt, sprang Sir Joshua heraus. Er winkte und kam mit unsicheren Schritten eilig über den Rasen auf sie zu.
»Koi hai?« schrie er so laut, daß Rehman erschrocken aus der Küche eilte. »Brandy, du elender Wurm, die ganze Flasche, und zwar schnell, juldee, juldee, oder ich werde dir Beine machen. Du hast schon lange meine Peitsche nicht mehr auf deinem faulen Hintern gespürt, du schwarzer Hurensohn!« Er ließ sich schwer atmend auf einen Stuhl fallen und warf dabei beinahe den Teetisch um. Dann sah er Olivia an. »Du bist ja wie neu geboren, was? Shabash, gut! Das gefällt mir bei euch jungen Täubchen. Eure Wangen müssen blühen wie die Rosen hier im Garten!« Er schlug mit der Peitsche nach einem Busch in der Nähe und köpfte dabei mehrere Blüten.
Olivia starrte ihn fassungslos an. »Geht … geht es dir nicht gut, Onkel Josh? Was … was ist nur mit dir los?«
»Mit mir los?« wiederholte er beinahe lallend und schien sie nicht richtig zu verstehen. Dann stützte er den Kopf in beide Hände, stöhnte und fluchte gleichzeitig. »Dieser verwünschte Dreckskerl, dieser gottserbärmliche Hurensohn! Ich habe diesem idiotischen Klugscheißer gesagt, Eingeborene können nie etwas einfach machen …!« Speichel tropfte aus dem Mund, und er lallte.
»Von wem sprichst du, Onkel Josh?« fragte Olivia erschrocken.
»Waaas? Wer …, was …, wo?« Er starrte sie mit glasigen Augen an, dann wurde sein Gesicht rot, und er sah sich nach Rehman um. »Wo ist mein Brandy, du stinkender Hund? Kannst du deinen fetten Hintern nicht etwas schneller bewegen?« Er griff nach einer Untertasse und schleuderte sie nach dem ängstlichen Diener. Rehman stellte schnell das Tablett auf den Tisch und floh. Sir Joshua erhob sich halb, als wolle er ihn verfolgen, sank aber mit einem Fluch wieder auf den Stuhl zurück. »Kein Risiko, hat der Kerl gesagt, kein verdammtes Risiko … daß ich nicht lache!« Er goß sich das Glas randvoll und trank es in einem Zug leer.
Sir Joshua war betrunken!
Olivia hatte ihren Onkel noch nie in einem solchen Zustand erlebt. Er behauptete immer, er könne jeden unter den Tisch trinken und dann noch auf einer geraden Linie gehen. Außer seinen aggressiv gelallten allgemeinen Flüchen schimpfte er über etwas Bestimmtes – es mußte mit dem ›Kirtinagar-Geschäft‹ zu tun haben …
»Welches Risiko, Onkel Josh?« fragte sie aufgeregt und vergaß, daß sie keinen Grund mehr hatte, sich für die Angelegenheit zu interessieren.
Er sah mit glasigen Augen durch sie hindurch und schüttelte den Kopf. »Diesmal kann Slocum sich seine Sporen verdienen«, murmelte er selbstgefällig, »diesmal wird er ihm nicht entwischen … arrey, koi hai ?« Er schlug mit der
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