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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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zu. Der Hund kratzte und winselte enttäuscht. Olivia hörte nichts. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Jai ahnte nicht, was ihr Onkel wußte!
    Lady Bridget saß immer noch auf der Veranda und vertiefte sich in die viele Post, die mit dem letzten Schiff gekommen war. Die Gärtner hinter ihrem Rücken wässerten die Chrysanthemen, die wie bunte Staubwedel aussahen. Rosa Watte-Wolken segelten an der untergehenden Sonne vorbei. Sir Joshua stand in der Auffahrt und befahl ungeduldig, den großen Apfelschimmel zu satteln. Olivia setzte sich leise ihrer Tante gegenüber und starrte ins Leere.
    »Flora Langham schreibt von ihrem Urlaub in Brighton, wo sie diesen hochbegabten Mann kennengelernt hat«, murmelte Lady Bridget und nickte zufrieden, »offenbar spielt er einfach traumhaft Klavier – sie spielt auch, weißt du –, und er malt Wiesenblumen. Das klingt mir nach einer zärtlichen Romanze. Ach, ich bin ja so froh für sie! Flora war die netteste und liebenswürdigste Gouvernante, die Estelle hatte, nicht zu vergleichen mit der albernen Perkins, die einfach nicht lernen konnte, wie man die Haare richtig lockt …«
    Olivia hörte nichts. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie mußte etwas tun – aber was? Und wie? Es war noch zu hell, um über die Mauer im Gemüsegarten zu klettern. Sie mußte Jai so schnell wie möglich warnen. Aber ihr Onkel hatte bereits einen Vorsprung …
    »… zur Mühle. Deine Mutter war ebenso abenteuerlustig wie du, mein Kind«, Lady Bridget schwelgte in Erinnerungen und lachte, »sie wollte nicht auf Croakies Warnung hören – sie war unser Kindermädchen, die liebe, liebe Miss Croker. Sarah balancierte auf dem Mehlfaß und fiel natürlich hinein. Da lag sie plötzlich im Mehl und strampelte mit Armen und Beinen!« Sie lachte herzlich. »Und dann sah sie aus wie ein Gespenst, wirklich sehr überzeugend! Die arme Croakie brauchte Stunden, wirklich Stunden, um das Mehl wieder abzuwaschen. Vater brüllte vor Lachen, aber Mutter war zornig. Deine Mutter war immer zu Streichen aufgelegt. Vater pflegte zu sagen, im Grund hätte sie ein Junge sein müssen. Sie war nicht zu bändigen …«
    Olivia kannte die Geschichten alle. Normalerweise hörte sie gerne zu, wenn ihre Tante von der Kindheit ihrer Mutter erzählte und dem Leben in England, aber heute fehlte ihr dazu die Geduld. Sie unterbrach Lady Bridget beinahe mitten im Satz, entschuldigte sich und floh auf ihr Zimmer. Dort schrieb sie eine Nachricht. Ihre Hand zitterte so sehr, daß sie mehrere Anläufe nehmen mußte, bis die Schrift lesbar war. Möglicherweise wußte Jai bereits alles, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Sollte er sie ruhig necken, wenn ihre Aufregung grundlos war, wenn nicht, dann mußte sie sich ein Leben lang Vorwürfe machen …
    Sie gab dem Sohn des Stallburschen ein paar Silbermünzen, und er versprach eifrig, er würde dem Bootsmann genauestens sagen, was zu tun sei. Sie ließ ihn ihre Anweisungen noch einmal wiederholen und ermahnte ihn dann, sich um Himmels willen zu beeilen. Der Junge lachte verlegen, sprang geschickt über die Mauer und verschwand in der Dämmerung. Erleichtert, aber noch immer innerlich aufgewühlt kehrte sie zur Veranda zurück.
    Es war inzwischen beinahe dunkel. Lady Bridget saß still im Sessel und hielt einen Brief in der Hand. Olivia setzte sich und stellte mit einem Blick auf den Umschlag fest, der auf dem Tisch lag, daß der Brief von Estelle war. Ihre Tante rechnete damit, ihre Tochter werde sie bitten, noch etwas länger bei den Pringles zu bleiben, und sie hatte nichts dagegen. Olivia lehnte den Kopf gegen die Hauswand, schloß die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Erst als sie die Augen wieder öffnete, stellte sie fest, daß ihre Tante seltsamerweise noch immer in derselben Haltung vor ihr saß. Die erhobene Hand mit dem Brief bewegte sich nicht, und sie schien auch nicht zu lesen, sondern hatte die Augen starr auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Olivia stand schnell auf und lief um den Tisch herum zu ihr.
    »Tante Bridget?« Sie berührte sie an der Schulter, »geht es dir nicht gut?«
    Keine Antwort. Lady Bridget schien ihre Frage nicht zu hören. Das vor kurzem noch so glückliche und strahlende Gesicht war bleich und wächsern. Die kornblumenblauen Augen blickten leblos und leer geradeaus. Sie schien noch nicht einmal zu atmen! Entsetzt schüttelte Olivia ihre Schultern. »Sag etwas, Tante Bridget. Sieh mich an! Was

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