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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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meistern, wie alle ihr unentwegt beteuerten, denn schließlich hatte auch sie einen großen Verlust erlitten. Auch sie war im Stich gelassen, getäuscht und zurückgestoßen worden. Auch hinter ihrer glatten Maske tobte ein Höllenfeuer, das sie mit der Zeit in Asche und Staub verwandeln mußte.
    Olivia hätte weinen müssen. O Gott, wie sehnte sie sich danach!
    Aber die Tränen kamen nicht. In ihr befand sich eine endlose, leere, verbrannte Wüste, in der sich auch nicht das geringste Zeichen von Leben regte. In ihrem Inneren schien sie verdorrt und tot zu sein. Sie hätte Kummer, Zorn, Bitterkeit und Haß empfinden müssen, aber sie spürte nur eine bleierne Müdigkeit. Nur der ständige Strom der Briefe, die regelmäßig von ihrem Vater, von Sally und ihren Söhnen, von Greg und von all denen eintrafen, die ihr wirklich etwas bedeuteten und sie an ein fernes, aber nicht ganz vergessenes Leben erinnerten, war ein kleiner Trost, der Olivia davor bewahrte, zusammenzubrechen. Die Briefe wurden zum Mittelpunkt ihrer Tage und sorgten dafür, daß sie den Kontakt zur Wirklichkeit nicht verlor. Sie brachten ihr die Gewißheit, daß es außer dieser Welt noch eine andere gab, in die sie eines Tages zurückkehren würde, wenn all das hier vorüber war.
    Vorüber? Nein, das war das falsche Wort. Es würde nie vorüber sein. Nicht eine Flucht aus der Welt ihrer Tragödie würde sie retten, sondern nur eine Flucht vor sich selbst, und das konnte es nicht geben. Ihr Vater schrieb in einem Brief: »Du sagst, daß Du bis jetzt noch keinen Mann kennengelernt hast, der einen größeren Eindruck hinterlassen hat. Möglicherweise hat sich das geändert, und ich warte gespannt darauf, daß Du mir darüber schreibst.«
    Die bittere Ironie dieser Aufforderung hätte Olivia die Tränen in die Augen treiben müssen. Aber sie weinte nicht. Sie legte den Brief unbeeindruckt zur Seite.
    *
    Sie spielten eine lächerliche Komödie, um die Gesellschaft zu täuschen, deren Meinung Lady Bridget fürchtete. Dieses Spiel konnte nicht bis in alle Ewigkeit weitergehen. Aber es war unmöglich, sich plötzlich so weit zurückzuziehen, daß man in Vergessenheit geriet. Das hätte die spitzen Zungen nur in Bewegung gesetzt, die sie verzweifelt zum Verstummen bringen wollten. Aber zehn Tage nach Estelles Abreise hatte die Verlogenheit dieses Lebens ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt, und Arthur Ransome fand, eine Flucht davor sei unumgänglich.
    »Sollen sie doch alle zur Hölle fahren!« schnaubte er in einem seltenen Ausbruch von Gereiztheit. »Ich lasse alles vorbereiten, damit wir uns ein paar Tage in dem Haus in Barrackpore erholen können. Ich muß im Kontor noch ein paar Dinge erledigen. Wir fahren Anfang nächster Woche.«
    Olivia ahnte, worum es sich bei diesen ›Dingen‹ vermutlich handelte, aber sie stellte keine Fragen. So oder so, es war ihr alles gleichgültig.
    »Ja, das wäre schön. Und die beiden brauchen einen Ortswechsel.«
    Lady Bridget hatte sich körperlich erholt, aber in ihrem Kopf schien noch immer eine gähnende Leere zu herrschen. Sie sprach kaum und weinte nicht mehr – zumindest nicht in Gegenwart von anderen. Sie blieb in ihrem Zimmer und saß dort Stunde um Stunde unbeweglich am Fenster. Sie aß gerade soviel, um am Leben zu bleiben, und reagierte auf keine der Anregungen, die Olivia ihr durch Gespräche bieten konnte. Olivia berichtete ihr ehrlich, aber behutsam die nackten Tatsachen ihrer Strategie, alle im unklaren zu lassen, und erzählte ihr auch die halbwahre Geschichte, mit der sie Dr.Humphries auf ihre Seite gebracht hatte. Lady Bridget hörte aufmerksam zu, aber da sie sich nicht äußerte, wußte Olivia nicht, wieviel sie wirklich verstanden hatte. Lady Bridget erwähnte Estelle mit keinem Wort, und sie reagierte auch nicht, wenn ihr Name fiel, über ihren Mann sprach sie auch nicht mehr. Nach außen hin schien sie gelassen, aber ihr Blick blieb leer, als befänden sich ihre Augen in einer anderen Dimension als ihr Körper. Nur die Hände bewegten sich ständig und krampfhaft in ihrem Schoß als Zeichen einer inneren Ruhelosigkeit.
    Dr.Humphries riet, alle persönlichen Dinge Sir Joshuas aus dem Schlafzimmer zu entfernen und ins zweite Gästezimmer im Erdgeschoß zu bringen. »Josh und Bridget brauchen im Augenblick völlige Ruhe«, erklärte er. »Außerdem verabscheut Bridget den Geruch von Alkohol, und ich möchte nicht, daß meine Patientin an den Dämpfen erstickt, die Josh wie eine wandelnde

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