Wer Liebe verspricht
woanders so sehr gebraucht wirst. Du kannst dich darauf verlassen, sobald wir wieder in Kalkutta sind, werde ich alles Nötige in die Wege leiten.« Seine Traurigkeit war nicht zu übersehen, aber er äußerte sich nicht weiter darüber, sondern wechselte rasch das Thema und erzählte ihr von seinem Besuch in Kirtinagar.
Olivia hatte vergessen, daß er sich um ein Gespräch mit Arvind Singh bemühte. Im Grunde wollte sie nicht mehr an die unglückselige Kohle und all das Unheil denken, das sie ausgelöst hatte. Und auch jetzt hörte sie Ransome nur deshalb aufmerksam zu, weil sie sich in letzter Zeit in Gedanken viel mit Kinjal beschäftigte. Ransome berichtete, Arvind Singh habe ihn schließlich doch empfangen, aber höchst ungnädig, wozu er, wie Ransome beteuerte, durchaus berechtigt sei. Der Maharadscha habe jedoch klargestellt, daß er nicht an einem neuen Skandal interessiert sei. Da die Versicherungsgesellschaft sich jedoch weigere, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, und nach Ausflüchten suche, sei es an Templewood und Ransome, sofort für die Instandsetzung der Grube zu sorgen und die Familie des tragisch verunglückten Nachtwächters zu entschädigen. Ransome sagte, er habe sich selbstverständlich bereit erklärt, alle Forderungen zu erfüllen. »Man kann der Gerechtigkeit nicht länger aus dem Weg gehen, auch wenn die Verluste uns ruinieren. Wir können ebensogut das Geschäft aufgeben«, schloß er bekümmert und fügte mit einem tiefen Seufzer hinzu: »Nun ja, ich habe den Spaß am Handel und Josh hat den Verstand verloren. Wenn alles bezahlt ist, werden wir kaum noch zahlungsfähig sein. Und ich bin zu alt und zu entmutigt, um noch einmal neu anzufangen. Als wir die Sea Siren verloren, wußte ich, daß wir uns von diesem Schlag nicht mehr erholen würden.«
Olivia fragte überrascht: »Aber euer Kapital kann doch nicht so klein sein! Habt ihr denn keine Rücklagen?«
»Zur Zeit leben wir von den Rücklagen. Inzwischen sind nur noch wenige Unternehmen bereit, mit uns Geschäfte zu machen, denn sie fürchten, von Trident auf die schwarze Liste gesetzt zu werden. Niemand möchte sein Geld aufs Spiel setzen, indem er allen Zorn auf sich zieht, wenn Jai zurückkommt.« Er lächelte. »Mein Kind, in Indien kann man über Nacht Millionär werden, aber ebenso schnell auch bettelarm.«
Wenn Jai zurückkommt …!
Als Olivia diesen Satz hörte, klang er zu absurd, zu wirklich, um in ihrem Bewußtsein eine Resonanz auszulösen. Sie empfand nur mit erneutem Schmerz die unglaubliche Verschwendung – soviel war zerstört worden, so viele Leben waren ruiniert. Jai Raventhorne hatte seinen Schwur und sein Schicksal erfüllt und dafür gesorgt, daß nichts in ihrem Leben heil blieb.
Es ist nicht dein Krieg, Olivia. Gerate nicht ins Kreuzfeuer.
In dieser Nacht weinte Olivia wieder. Sie weinte still und sah zum ersten Mal, wie zielstrebig und methodisch sie ihren Untergang in die Wege geleitet hatte. Sie hatte die Warnungen gehört und sich unbesorgt darüber hinweggesetzt. Sie hatte die Hinweise, Omen und das unheilverkündende Zeichen gesehen, sie aber nicht in ihrer vollen Bedeutung verstanden und wahrgenommen. Sie hatte sich kopfüber in eine Katastrophe gestürzt, die er und nicht sie abwenden wollte. Nein – in Wirklichkeit hatten weder Jai noch Estelle sie betrogen. Olivia hatte das selbst besorgt. Und so gab es für sie nicht einmal den Trost, einem anderen Vorwürfe machen zu können.
Ich brauche Zeit, dachte sie und dann: Kann mir die Zeit wirklich helfen?
Ironischerweise war es für sie eine trügerische Illusion zu hoffen, die Zeit heile ihre Wunden, auch wenn das im allgemeinen richtig sein mochte. Olivia ahnte mit wachsender Gewißheit, daß die Zeit sie ebenso im Stich lassen würde wie Jai Raventhorne.
Seit Olivia die schreckliche Wahrheit kannte, ging sie ihrem Onkel aus dem Weg. Sie hatte nur wenig Mitgefühl für ihn, und es fiel ihr schwer, ihre Verachtung zu verbergen. Aber ungeachtet ihrer persönlichen Gefühle verlangte die Höflichkeit, daß sie ihm ihre Entscheidung mitteilte, seine Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch zu nehmen und sein Haus zu verlassen. Olivia beschloß, Lady Bridget später zu informieren, wenn ihr Zustand sich soweit gebessert hatte, daß sie die Nachricht mit Fassung entgegennehmen konnte. Eines Nachmittags bot sich ihr die Möglichkeit, mit Sir Joshua zu sprechen, als er sie mit dem Entschluß überraschte, angeln zu gehen. Da Arthur Ransome
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