Wer Liebe verspricht
verdammt noch mal tun! Zur Hölle mit Kalkuttas Kaufleuten, die sich vor Angst ins Hemd machen!« Damit rauschte sie aus dem Zimmer.
Donaldson blieb der Mund offen stehen. Er holte tief Luft, lehnte sich zurück und dachte nach. Er rieb sich eine Weile das Kinn und mußte plötzlich leise lachen. »Meine Güte, meine Güte! Für ein Mädchen, das noch nicht trocken hinter den Ohren ist, hat sie verdammt noch mal Mumm!« Er brüllte vor Lachen und schlug sich auf die Schenkel. »Aber bei meiner Seele, es tut gut, wenn dieser hergelaufene Hundesohn einmal ordentlich eins auf die Nase bekommt!«
*
Olivia verbrachte den Abend in ungetrübter Freude mit den Briefen, die Kapitän Tucker mitgebracht hatte. Sie las sie alle immer und immer wieder. Wie anders klangen sie als ihre unehrlichen, erfundenen Berichte! Außer den Briefen mit den guten Nachrichten schickten sie ihr viele Geschenke: von Dane aus Sandelholz geschnitzte Tiere und Figuren; ähnlich schöne, selbstgemachte Bücherstützen von Dirk, handgestickte Tücher von Sally, Bücher, Zeitschriften und Zeitungen von ihrem Vater, Dosen mit Kaffee, Korallenschmuck und zu ihrem Geburtstag eine Jacke aus Ziegenfell.
Mein Geburtstag!
Eingesponnen in ihre gefährdete, unsichere Welt, die von der Wirklichkeit so weit entfernt war, hatte Olivia ihren Geburtstag vergessen!
Auch wenn die liebevollen Pakete aus Hawaii ihr Herz mit schmerzlicher Wehmut erfüllten, so ließ Olivia seltsamerweise der Gedanke an gewisse Briefe aus einem anderen Teil der Welt nicht los. Wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte den Anblick der Briefe in Ranjan Moitras Hand nicht vergessen! Sie sehnte sich nicht nach belanglosen Nachrichten von Jai Raventhorne. Sie quälte nur die eine Frage, die ihr den kalten Schweiß auf ihre Stirn trieb und bei der ihr flau im Magen wurde:
Wird er bald nach Kalkutta zurückkommen …?
Erstaunlicherweise bedurfte es keiner besonderen List, um Moitra diese Information zu entlocken. Zwei Tage nach der Begegnung am Kai erschien er im Kontor und bat sie um ein Gespräch. Olivias Herz setzte einen Schlag lang aus. Warum dieser plötzliche Besuch?
»Ja, Mr.Moitra? Was kann ich für Sie tun?« Als er ihr wenige Augenblicke später gegenübersaß, war sie energisch und gefaßt.
Er hüstelte und wirkte sehr unglücklich. »Bitte entschuldigen Sie meine Kühnheit, Madam, aber ich wollte Sie um Verzeihung bitten. Ich habe Madam neulich abends beleidigt.« Olivia sah ihn unbewegt an, und er fuhr schnell fort. »Ich hätte Tridents Erfolge in Ihrem Heimatland nicht erwähnen dürfen. Es war – wie soll ich es ausdrücken? – ein grober Fehler, eine dumme Anwandlung. Natürlich können Madam sich nicht mit uns freuen … natürlich nicht! Als die werte Tochter der werten Schwester von Sir Joshuas werten Lady Memsahib ist das undenkbar. Bitte entschuldigen Sie den bescheidenen und taktlosen Dummkopf, der ich war.« Er ließ niedergeschlagen die Schultern hängen.
Olivia fühlte sich versucht zu lächeln, aber das unterließ sie natürlich. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mr.Moitra. Sie sind schließlich ein treuer Mitarbeiter von Trident. Ihr Stolz auf die Erfolge Ihres Herrn ist verständlich.«
Diese großzügige Geste überwältigte ihn noch mehr. »Madam, Sie sind zu gütig, zu gütig«, murmelte er und beschäftigte sich mit einem Gedanken, den er schließlich auch aussprach. »Madam, Sie sind eine gute und pflichtbewußte Dame, die viel tut, um Ihrer Familie zu helfen. Es hat mich persönlich sehr gefreut zu erfahren, daß Mr.Ransome seinen Tee verkaufen konnte.« Er sah sie ernst und aufmerksam an. »Der Sarkar ist mein verehrter Freund und Lehrer, aber ich billige nicht alle seine Methoden. Es ist nicht unloyal, wenn ich das sage, denn der Sarkar kennt meine Meinung.«
Dieses unerwartete Mitgefühl überraschte und rührte Olivia. Es bot ihr auch eine Möglichkeit, ein Thema anzuschneiden, die sie sofort ergriff. »Danke, Mr.Moitra. Ich weiß Ihre Worte sehr zu schätzen. Darf ich Ihnen vielleicht eine Tasse Kardamomtee anbieten? Ich möchte mit Ihnen bei der Gelegenheit über etwas sprechen.«
Er ahnte nichts von ihren Absichten und nickte scheu. Als man kurz darauf den Tee servierte, griff Olivia nach einer Akte, die auf ihrem Schreibtisch lag. »Als ich mir das hier angesehen habe, Mr.Moitra, fiel mir auf, daß Ihre Frachtraten sehr viel höher sind als die aller anderen Reedereien.« Olivia wußte, daß Willie Donaldson nicht in der
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