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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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unter Wasser zu sein. Ihre Glieder zogen sie bleischwer nach unten, während die Fähigkeit, zusammenhängend zu denken, aus- und wieder einsetzte. »Du mußt ihn daran hindern, bitte …« Ihre Lippen bewegten sich, doch die Stimme gehörte einer anderen.
    »Nein.« Ransomes Haut war aschgrau, aber er antwortete ohne eine Spur von Unsicherheit. »Es muß geschehen.«
    »Aber Raventhorne wird sterben!« Ihre Worte hallten in der großen Leere ihres Kopfes wider. Ihre Zunge war wie Blei und jede Bewegung eine Qual. Unter Aufbietung aller Kräfte wollte sie zu ihrem Onkel gehen, um das sinnlose Töten zu verhindern. Sie mußte etwas tun! Aber noch ehe sie den ersten Schritt getan hatte, umklammerte Ransome fest ihren Arm.
    »Nein, Olivia!« Sein Flüstern klang rauh und heftig. »Einer muß heute sein Leben lassen! Du kannst nichts mehr tun!«
    John Sturges stand inzwischen hinter Olivia. Er sah elend aus und rieb sich mehrmals mit dem Handrücken die Augen. Er flüsterte Ransome etwas zu, erhielt aber keine Antwort. Mit starrem Blick und blutleerem Gesicht sah Ransome nur zu – und wartete.
    »Zwei …«
    Mit der unnachahmlichen Anmut eines sorglosen jungen Rehs im Gras hob Raventhorne die Hand und schob sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Auf seinem Gesicht lag weder Angst noch Feindseligkeit, sondern nur eine seltsam belustigte Neugier – und die übliche Verachtung. In Olivias Kopf tönte es unaufhörlich.
    Jai Raventhorne wird sterben! Jai Raventhorne wird sterben  …
    Macht es mir etwas aus? überlegte sie kurz. Sie wußte es nicht. Jemand hinter ihr griff nach ihrer Hand und drückte sie, wie um sie zu stützen. Sie drehte sich um und sah, es war Willie Donaldson. Er schüttelte warnend den grauen Kopf als schweigenden Kommentar zu ihrem vergeblichen Versuch, einzugreifen. »Sie können nichts tun, Mädchen, nicht in Ihren Umständen.« Sie lächelte, ohne etwas gehört zu haben.
    »Drei!«
    Es war so still wie in einem Grab, nichts regte sich. Niemand atmete, keiner flüsterte. Dann lachte Raventhorne. »Was ist los, Sir Joshua? Fehlt Ihnen wieder der Mut?«
    Das Zucken einer Wimper ging dem schneidenden Hohn voraus, und dann geschahen drei Dinge gleichzeitig: Sir Joshua feuerte, Raventhorne trat einen kleinen Schritt zur Seite, und hinter seiner Schulter barst ein kostbarer goldgerahmter belgischer Spiegel in einem Feuerwerk splitternder Glasstücke. Der Saal erbebte unter dem Schuß, als sei ein Blitz eingeschlagen. Frauen schrien, ein heilloses Durcheinander brach aus, und das Stimmengewirr war ohrenbetäubend. Niemand wußte genau, was eigentlich geschehen war und in welcher Reihenfolge. Man hörte rauhe Flüche, unverständliche Beschimpfungen und ein paar hysterische Lacher. Dann verzog sich der Rauch, und die Verwirrung legte sich langsam. Zum Vorschein kam wieder Jai Raventhorne. Er stand noch immer aufrecht an derselben Stelle und in derselben spöttischen Haltung wie vor dem Schuß. Die Menschen im Saal erstarrten. Wieder verstummten alle. War es möglich, daß der Höhepunkt des Abends noch ausstand?
    »Versuchen Sie es noch einmal, Sir Joshua!« sagte Raventhorne leise, aber deutlich hörbar. Seine Worte klangen jetzt noch selbstbewußter. »Zielen Sie etwas tiefer. Mein Herz schlägt noch.«
    Enttäuschung breitete sich aus. Verdammt, kein Tropfen Blut war geflossen? Was zum Teufel bildete Josh sich denn ein? Langsam und sehr konzentriert hob Sir Joshua noch einmal die rechte Hand. Als er zielte, spannten sich seine Gesichtsmuskeln, und er kniff die dunkelbraunen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Der Zeigefinger lag wieder um den gespannten Abzug. Er war so ruhig wie der Stein, aus dem sein riesiger Körper gehauen zu sein schien. Es schien unmöglich, daß er noch einmal daneben schoß. Olivia drehte verzweifelt den Kopf zu Arthur Ransome. Ihre Nerven drohten zu zerreißen. Aber Ransome spürte den Blick entweder nicht oder er wollte ihn nicht erwidern. Er stand wie in Trance bewegungslos da und starrte auf Sir Joshua. Die Spannung war unerträglich. Münder öffneten sich, und auf Stirnen stand der Schweiß. Aber keine Hand rührte sich, um sie zu trocknen. Alle warteten auf den zweiten Schuß, mit dem Jai Raventhornes Leben enden würde. Selbst ein Blinzeln mochte dazu führen, daß man den Höhepunkt eines Lebens verpaßte, den seltsamen Gipfel einer Rache, wie sie ihn noch nie erlebt hatten und vermutlich auch nie mehr erleben würden.
    Eine Ewigkeit verging. Aber Sir Joshuas

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