Wer Liebe verspricht
plötzlich beinahe unmerklich verwirrt, so, als sei er verunsichert. Olivia achtete darauf, daß sie ihn freundlich, aber ohne etwas von ihren Gefühlen zu verraten, ansah. Insgeheim jubelte sie über sein Unbehagen. In ihm – an ihm – überall – spürte sie seine Wut. Er wußte nicht, worauf sie es abgesehen hatte, aber er wußte, daß sie ihn verspottete.
»Ich revidiere eine Entscheidung nicht, wenn ich sie getroffen habe.« Die knappe Antwort klang endgültig, aber die Verwirrung wich einer spürbaren Vorsicht. »Du hättest vernünftig genug sein sollen, auf Donaldson zu hören.«
»Dann bist du also entschlossen, ungerecht zu sein?« Sie seufzte, als sei sie enttäuscht. »Und ich bin heute morgen mit so großen Hoffnungen hierhergekommen!«
Die angespannten Kiefermuskeln bewiesen, daß seine Geduld auf eine gefährliche Probe gestellt wurde. Seine Augen wurden schmal. »Ich weiß nicht, Olivia, was für ein Spielchen du dir ausgedacht hast, aber ich finde es alles andere als amüsant. Ich habe dir schon einmal gesagt, begehe nicht den Fehler, zu glauben, ich sei gerecht. Das bin ich bestimmt nicht. Und ich habe nicht die Absicht, es deinetwegen zu sein.«
»Ja, ich erinnere mich, Jai, ich habe nichts von dem vergessen, was du mir einmal gesagt hast.« Sie stand ihm an liebenswürdiger Sanftheit und unverhülltem Sarkasmus in nichts nach. »Aber deine Selbsteinschätzung ist etwas zu hart. Du hast schon immer dazu geneigt, deine beachtlichen Tugenden zu unterschätzen.« Olivia lehnte sich zurück und freute sich, daß er wieder leicht verwirrt errötete.
»Ich habe nie daran gezweifelt, daß du sowohl gerecht als auch vernünftig sein kannst.« Sie schwieg und verlagerte das Gewicht. »Natürlich nur unter den richtigen Umständen.« Sie wechselte noch einmal ihre Haltung, stützte einen Ellbogen auf den Schreibtisch und faltete die Hände. »Wie ich höre, hast du ein Angebot für die Daffdil gemacht?«
Ihre unvermittelte Frage brachte ihn einen Augenblick aus dem Gleichgewicht – und genau das hatte Olivia beabsichtigt. Sie wußte, normalerweise hätte er ihr nie eine Antwort gegeben, aber er war bereits verunsichert und erwiderte knapp: »Ja.«
»Was könnte der einzige Mann, der mit Klippern nach Europa und Amerika fährt, mit einem Wrack wie der Daffodil im Sinn haben?« fragte sie sanft.
Er wurde blaß und stand so heftig auf, daß die Tintenfässer auf dem Schreibtisch schwankten und eine Schreibfeder auf den Boden fiel. Er hob sie nicht auf. »Sei es nun, daß du wieder einmal aus alter Gewohnheit deiner Neugier frönst, sei es, daß Ransome dich als Vermittlerin benutzen will, es geht dich weiß Gott nichts an. Entschuldigst du mich jetzt bitte …, ich habe keine Zeit mehr.«
»Ich stelle nur die eine Frage, die sich ganz Kalkutta stellt.« Olivia hob die Schultern und ließ sie langsam wieder sinken. Sie machte keine Anstalten zu gehen. »Aber du hast natürlich recht. Es geht mich nichts an.« Sein Wutausbruch konnte sie nicht täuschen. Sie wußte, sie hatte ins Schwarze getroffen, und der Schuß traf ihn völlig überraschend. »So wie es aussieht, geht es dich auch nichts mehr an. Es ist jetzt eine Angelegenheit von Ransome und Lubbock.«
»Lubbock?« Ihre Worte hatten ihn überrascht, und er wurde sofort wütend, weil er es gezeigt hatte. Aber er konnte die Frage nicht mehr zurücknehmen. Olivia beobachtete ihn mit gesenkten Augenlidern genau. Ihr entging nicht die leiseste Regung in seinem Gesicht, und innerlich jubelte sie. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht! Der getroffene Nerv schmerzte ihn mehr, als sie sich das hätte träumen lassen. Im Hochgefühl dieses Triumphs nutzte sie schnell ihren Vorteil.
»Ja, Hiram Arrowsmith Lubbock. Er ist der Baumwollpflanzer aus dem tiefen Süden, der sich brüstet, ein Kamel könne beim Durchqueren seiner Plantage verdursten. Er …«
»Ich weiß, wer Lubbock ist! Wenn ich davon ausgehe, daß du ihn dazu überredet hast, Ransomes Haus zu kaufen, dann kann ich wohl auch annehmen, er ist ein Ersatz für den Vogel, der das Nest verlassen hat?«
Die Anspielung ärgerte Olivia, aber sie ließ sich von dem eigentlichen Zweck ihres Besuches nicht ablenken, und es gelang ihr, irgendwie zu lächeln. »Wenn du das glauben möchtest, obwohl dich das überhaupt nichts angeht. Aber da du ja bestens über alles informiert bist, was in der Stadt geschieht, wirst du auch wissen, daß Lubbock viel mehr für die Daffodil bietet als du, sehr viel
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