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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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liebenswürdig an. »Ich habe mir bereits sagen lassen, daß er in seinem Büro ist.«
    Ranjan Moitra schluckte. »Ja … nein, äh, ich werde sehen … Er nahm die Karte mit den Fingerspitzen entgegen und eilte aus dem Zimmer.
    Der uniformierte Türsteher erstarrte vor Ehrfurcht bei Olivias Anblick. Er konnte natürlich nicht ahnen, welche Anstrengung es sie kostete, die vornehme Dame zu spielen, oder daß ihr Herz wie rasend gegen das Oberteil ihres blattgrünen Leinenkleids schlug. Rein äußerlich ging nur Selbstbewußtsein von ihr aus, und auf alle, die noch nie so viel Eleganz gesehen hatten, wirkte sie wie eine Königin. Reiherfedern wogten auf dem breitkrempigen grünen Samthut, der raffiniert das eine Auge verdeckte. Ein schwarzer, hauchdünner Schleier verbarg das Gesicht gerade genug, um ihre Herablassung noch erkennen zu lassen. Obwohl es noch früh am Vormittag war, funkelten diskret Diamanten an ihrem Hals und an den Ohren und verstärkten den königlichen Eindruck. Ohne den weiten langen Rock hätte der Türsteher allerdings gesehen, daß ihr die Beine zitterten und gelegentlich die Knie aneinanderstießen.
    Moitra kam zurück. »Ich bedaure, Eure Ladyschaft, der Sarkar ist nicht zu sprechen.« Er wirkte verlegen und unglücklich. »Er bittet Sie vielmals um Entschuldigung, aber heute kann er Sie nicht empfangen.« Er benahm sich ehrerbietig und zeigte angemessenes Bedauern, aber er konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Wenn Sie vielleicht das nächste Mal Ihren Besuch ankündigen …«
    »Bei einer Ankündigung, Mr.Moitra«, erklärte Olivia freundlich, »hätte Ihr Sarkar es zweifellos so eingerichtet, daß er nicht anwesend wäre. Ich werde sehr wenig von seiner Zeit in Anspruch nehmen, und ich kann leider nicht warten.« Sie ging an ihm vorbei, verließ das Vorzimmer, in dem sie standen, und gab ihm keine Möglichkeit mehr, Einspruch zu erheben. Dann betrat sie das große Büro dahinter.
    »Eure Ladyschaft …!« Er eilte ihr entsetzt nach. Schweiß lief ihm über die Stirn. »Der Sarkar ist im Augenblick wirklich sehr beschäftigt. Er darf nicht gestört werden! Ich versichere Ihnen …«
    »Beschäftigt oder nicht beschäftigt, Mr.Moitra, er wird mir ein paar Minuten schenken. Ich habe etwas sehr Wichtiges mit ihm zu besprechen.« Während sie durch den breiten Mittelgang des Raumes rauschte, in dem die Schreiber saßen, lächelte sie freundlich, aber ihre Stimme klang gebieterisch und energisch. »Auch auf mich warten wichtige Dinge. Wären Sie deshalb bitte so freundlich, mich anzukündigen?«
    Plötzlich herrschte in dem großen Raum völlige Stille. Die vielen Schreiber legten ihre Federn beiseite und hörten gespannt zu. Alle Augen richteten sich auf den unfaßlichen Anblick von Ranjan Moitra im Gespräch mit einer weißen Mem. Für ihn, den zweiten Mann in der Hierarchie von Trident, war das eine unmögliche Lage. Er schluckte wieder und fuhr sich verzweifelt über die Stirn. »Vielleicht morgen …?«
    »Nein, Mr. Moitra, jetzt.«
    Eine Welle des Staunens lief durch die Reihen der Angestellten, die mit gekreuzten Beinen auf weißen Kissen vor den traditionellen indischen, kniehohen Tischen saßen, und Moitra errötete. Es war undenkbar, daß er wegen einer Frau vor Untergebenen sein Gesicht verlor. »Also gut«, sagte er förmlich, richtete sich auf und tat, als sei er der Lage gewachsen. »Ich werde den Sarkar noch einmal bitten …«
    »Das ist nicht nötig, Ranjan.« Die ruhige klare Stimme kam von einer Tür am anderen Ende des Raumes. »Ich werde Lady Birkhurst empfangen. Würden Sie die Dame bitte in mein Büro bringen?«
    Ihre Begegnung auf dem Ball hatte Olivia überrascht. Diesmal war sie sorgfältig vorbereitet. Trotzdem geriet ihre Kühnheit ins Wanken, als ihr das Blut in die Schläfen stieg. Ihre Hände wurden feucht.
    »Danke.«
    Raventhorne drehte sich um und entschwand ihren Blicken. Sie folgte Ranjan Moitra und richtete ihre Gedanken bewußt auf die Dinge, die sie vor sich sah.
    Trotz der großen geschäftlichen Erfolge waren die Büros von Trident so spartanisch eingerichtet wie die Häuser, die Jai Raventhorne bewohnte. Nichts wies auf die Macht hin, die er in der Geschäftswelt der Stadt besaß. Keine Zeichen des Wohlstands und des Luxus, wie alle anderen es liebten, die sich in Kalkuttas kaufmännischen Kreisen mit Erfolg behaupteten. Die Büros waren groß, luftig und makellos sauber, aber rein funktional ausgestattet. Die Wände waren weiß getüncht, und auf

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