Wer Liebe verspricht
Langeweile bei, ich nicht. Und ich finde Ma-Jongg schrecklich. Ich weiß einfach nie, welcher Stein wohin gehört. Bei Rommé, Bridge, Ecarté und allen anderen Kartenspielen bin ich hoffnungslos. John ist völlig vergraben in seiner schrecklichen Garnison, und ich sehe ihn nur selten.«
Aber Arthur Ransome und ihre Schwiegereltern kamen offenbar bestens miteinander aus, und da John ein guter Gastgeber sein wollte, hatte er ihnen einen Ausflug nach Lucknow versprochen zu den märchenhaften Palästen. Johns Eltern waren zurückhaltend wie immer. Sie hatten keine Fragen zu Sir Joshuas Tod gestellt und auch nicht über den Vorfall auf Olivias Fest.
Olivia freute sich aufrichtig über Estelles Besuch, aber er machte sie auch nervös. Sie mußte Estelle ein absurdes Versprechen abnehmen. Es würde endlose Debatten darüber geben. In diesem Zusammenhang würde dann das Gespräch unvermeidlich wieder auf Jai Raventhorne kommen, und das würde wieder neue Diskussionen auslösen …
In der ersten Woche besuchte Estelle ihre vielen Freundinnen in der Stadt, lud sie ein und nahm Einladungen an, wenn auch diesmal mit etwas gedämpfter Begeisterung. Olivia mißgönnte ihr die Geselligkeit nicht und die dringend notwendigen Ablenkungen von den eigenen Spannungen und Problemen. Es machte auch Spaß, wenn viele junge Leute im Palais erschienen und in den großen Räumen zur Abwechslung einmal Gelächter widerhallte. Da Estelle nun die Wahrheit kannte, achtete sie sehr darauf, daß ihre Freundinnen Amos nie zu Gesicht bekamen. Olivia wußte nicht, unter welchen Vorwänden ihr das gelang, aber sie hatte den erwünschten Erfolg. Amos spielte ungestört in seinem Kinderzimmer im oberen Stock.
Am ersten ruhigen Abend stellte Estelle ihr die Frage, die früher oder später kommen mußte. »Was ist das eigentlich mit diesem Hotel? Denkst du wirklich ernsthaft daran?«
»Ja.«
»Erstaunlich! Wie bist du denn auf so ein Projekt gekommen?«
»Ich hoffe, es wird für die Zukunft eine gute Investition sein.«
»In gewisser Weise ist es traurig. Ich bin in dem Haus zur Welt gekommen.« Estelle unterdrückte ein Gähnen. Vielleicht wollte sie einen Rückfall in die Sentimentalität vermeiden und sagte schnell:
»Ich möchte nie wieder in dem Haus wohnen. Onkel Arthur soll alle Entscheidungen treffen.« Sie unterdrückte wieder ein Gähnen.
»Aber ich meine, das Haus ist zu klein für ein richtiges Hotel. Du müßtest doch mehr Zimmer zur Verfügung haben …«
»Ja, das wird auch geschehen. Wir bauen etwas Neues.«
»Etwas Neues? Oh, das klingt aufregend! Und wo? Im Garten?«
»Nein. Auf dem Dienstbotengelände.«
Estelle kämpfte mit dem dritten Gähnen. »Du willst dort also alles abreißen lassen?«
»Aber ja, wie sollten wir sonst den Platz für einen Neubau bekommen?«
»Hm, ja … das ist vermutlich vernünftig.« Sie erzählte nicht ohne Vergnügen von einem Hotel in London, wohin Jai sie zum Essen eingeladen hatte. »Es war unglaublich vornehm, weißt du, mit heißen Handtüchern und ganz besonders feinen Seifen und einer ellenlangen Speisekarte. Die Gerichte waren alle französisch à la dies und à la das. Ich habe sogar Schnecken gegessen – uhh! Aber sie waren köstlich.« Sie beschrieb noch einige der Gaumenfreuden, aber dann dämmerte ihr etwas. Stirnrunzelnd versuchte sie, sich darauf zu konzentrieren, und dann hatte sie es plötzlich begriffen. »Das Dienstbotengelände …« sagte sie langsam. »Jai ist in einer der Hütten geboren worden. Seine Mutter hat dort acht Jahre mit ihm gelebt.«
»Ach ja? Stimmt … das hatte ich vergessen.«
Estelle sah sie nachdenklich an. »Er … er möchte vielleicht nicht, daß die Hütten abgerissen werden. Ich habe dir doch einmal erzählt, wie eigen er ist, wenn es um seine Mutter geht.«
»Ich werde ihn in dieser Angelegenheit kaum um seine Meinung fragen.«
Plötzlich verstand Estelle. Sie richtete sich kerzengerade auf, und aus ihren Augen war alle Müdigkeit gewichen. »Geht es dir … bei diesem Hotel darum, Olivia? Willst du Jai verwunden, indem du die Hütten abreißen läßt?« fragte sie sichtlich betrübt.
Olivia überging ihre Fragen. »Ich kann auf Gefühle – seien es nun seine oder die eines anderen – keine Rücksicht nehmen. Ich betrachte das Hotel als ein vielversprechendes Projekt für Farrowsham, mehr nicht.«
»Wirklich? Ich glaube dir nicht«, sagte sie ruhig. »Onkel Arthur hat mir vom Verkauf der Daffodil erzählt und von der
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