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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Kopf und schloß den Hemdkragen, ohne sich weiter um den Regen zu kümmern. Durch diese kleine Bewegung sah Olivia sein Gesicht. Es wirkte gequält. Olivia kostete mit noch größerem Genuß den süßen Geschmack im Mund.
    Leise rief sie: »Ich hatte dich früher erwartet. Warum hast du so lange gebraucht?«
    Sein Rücken richtete sich auf. Wäre es an diesem Abend nicht so still gewesen, hätte sie nicht gehört, wie er heftig einatmete. Olivia schlenderte ohne Eile an ihm vorbei und ging auf die Tür zu, denn sie wußte, er konzentrierte sich nur darauf. Jai blieb sitzen und sah sie ausdruckslos an, als erkenne er sie nicht, als sei er in einem fernen Traum gefangen, aus dem er sich noch nicht befreit hatte. Olivia überraschte ihn in einem Augenblick, in dem er sich ganz in sich zurückgezogen hatte. Er befand sich am Ziel einer Wallfahrt. Olivia jubilierte: Sie hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können!
    Mit einem Fingernagel kratzte sie an dem morschen Holz des Türpfostens. »Völlig von den Termiten zerfressen. Drinnen sieht es noch schlimmer aus, das kannst du mir glauben.«
    Er sagte noch immer nichts. Aber im letzten Licht der safrangelb untergehenden Sonne veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er stand auf, entfernte sich von ihr und drehte ihr den Rücken zu.
    »Möchtest du es dir vielleicht selbst ansehen? Du wirst diese Möglichkeit nicht noch einmal haben. Morgen verschwindet das alles – jeder Stein, jeder Dachziegel, jeder wurmstichige und morsche Balken.« Sie lachte leise. »Nein? Gut, wie du willst. Mein Angebot gilt bis morgen.«
    Sein Rücken glich einer harten, unnachgiebigen Mauer. Sie sah an jedem gespannten Muskel des Körpers seine Wut. Die Unterarme waren schweißnaß und glänzten metallisch im gespenstischen Dämmerlicht. Olivia wußte, wenn er sich jetzt umdrehte, würde sein Gesicht entstellt und verzerrt. Doch als er sich umdrehte, erlebte sie eine Enttäuschung. Es gelang ihm, sein Gesicht so leer und reglos wirken zu lassen, daß sie sich um ihren Erfolg betrogen glaubte. Seine heftigen Gefühle waren verflogen, und er sagte gelassen:
    »Laß dich nicht von ein paar billigen Siegen täuschen, Olivia.« Es klang beinahe freundlich. »Du kannst nicht gegen mich kämpfen.«
    »Das glaubst du wirklich? Und was, wenn ich fragen darf, bringt dich zu dieser irrigen Annahme?«
    »Ich weiß es nicht! Aber im Gegensatz zu dir behindert mich kein Gewissen.«
    »Das war einmal! Unter deiner bewundernswerten Anleitung habe auch ich mich von dieser unerwünschten Last befreit. Auch ich halte mich nur noch an eigene Gesetze. Ich mache diese Gesetze, und ich improvisiere. Wie du habe ich aus der Unberechenbarkeit eine Kunst gemacht.« Ihre Stimme klang selbstbewußt, aber sie haßte den Anflug des Zitterns, das immer mitschwang, wenn sie in seiner Nähe war.
    »Ach ja!« Er lächelte und lehnte sich an einen Pfosten. »Streunende Hunde kämpfen sehr geschickt, Olivia. Ihre Angriffe sind unerwartet, und nur deshalb überleben sie als verfolgte Außenseiter.«
    »Nicht jeder streunende Hund gewinnt jeden Kampf. Manchmal sind auch gerissene Straßenköter die Verlierer. Und als mein Lehrer hast du bereits erlebt, wie schnell ich lerne!«
    »Das stimmt. Andererseits braucht man bei diesem Spiel mehr als eine spitze Zunge und eine Kiste mit kindischen Tricks, Olivia. Du bist noch immer verwundbar, obwohl du es in deiner draufgängerischen Art nicht wahrhaben willst. Und es gibt Bereiche in dir, die mir immer noch jederzeit zugänglich sind.« Er gab sich lässig. Er nahm sie eindeutig nicht ernst.
    »Auch das war einmal!« erwiderte sie scharf. »Unterschätze mich nicht, Jai, wie du es früher getan hast. Die Bereiche in mir, die du zu kennen glaubst, haben sich verändert. Täusche dich nicht.«
    »Vielleicht waren sie schon immer anders! Ich frage mich manchmal, ob ich mich nicht schon immer getäuscht habe.« Er ging an ihr vorbei in die Hütte, in der er einmal gelebt hatte. Zu ihrem Erstaunen kam er im nächsten Augenblick mit einer Pfeife und einem Tabakbeutel wieder heraus. Olivia empfand einen leichten Schock. Er kam oft hierher, vermutlich nachts, wenn niemand ihn sah. Kühn wie er war, hatte er die Pfeife in einer Nische versteckt, die er noch von früher kannte. Sie bekam eine Gänsehaut. Wie töricht es gewesen war, an ihren – oder an seinen – Instinkten zu zweifeln!
    »Welche Täuschungen es auch gegeben haben mag, sie beruhten auf Gegenseitigkeit«, erwiderte sie

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