Wer Liebe verspricht
grausamen Akt der Selbstverleugnung konnte er nicht verstehen.
»Klug oder nicht, es war eine unumgängliche Entscheidung«, erwiderte Olivia mit erzwungener Unbekümmertheit. »Weißt du, jetzt haben wir beide einen Sohn.« Olivia stellte gerade wunderschöne Rosen aus dem Garten in eine Vase, und ihre Worte klangen eher unbeschwert.
Zu unbeschwert …
Ransome kannte sie inzwischen gut genug, um sich nicht davon täuschen zu lassen. »Wie mir Lubbock berichtet, hast du die Hütten nicht abreißen lassen.«
»Nein. Das schien schließlich doch keine so gute Idee zu sein.«
»Und das Hotel? Den Gerüchten nach hast du das Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich muß gestehen, das überrascht mich.«
Olivia lächelte. Der gerissene alte Fuchs – es überraschte ihn keineswegs! »Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden.«
Er ging auf die Lüge nicht weiter ein. »Und was hast du mit dem Haus und dem Gelände vor, wenn du das Projekt aufgibst?«
Sie schnitt den Stiel einer Rose an, steckte ihn in die Vase und trat einen Schritt zurück, um den Strauß mit zusammengekniffenen Augen zu begutachten. »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht werde ich verkaufen. Ich glaube, du weißt, daß Tante Bridget mir eine sehr großzügige Mitgift geschenkt hat …« Ransome nickte. »Das Geld war einmal für meine Mutter bestimmt, aber sie lehnte ihr Erbe ab. Über die Jahre hat sich bei Lloyd’s in London mit den Zinsen ein beachtliches Kapital angesammelt. Die Hälfte habe ich hierher überweisen lassen, um allen meinen Verpflichtungen nachkommen zu können. Um ehrlich zu sein, ich brauche nicht noch mehr Geld. Aber das Templewood-Anwesen brauche ich auch nicht mehr. Ich bin deshalb versucht, mich auf die eine oder andere Weise davon zu befreien. Hättest du Einwände, wenn ich … es weggebe?«
Er sah sie überrascht an. »Mein Kind, du bist die Besitzerin! Du kannst damit tun und lassen, was du willst. Aber … wem willst du es geben? Einer karitativen oder pädagogischen Einrichtung?«
»Etwas in dieser Art.«
Sie aßen schweigend. Das Gespräch über das Templewood-Anwesen belastete ihre Versuche, über Belanglosigkeiten zu reden. Niedergeschlagen hingen sie bittersüßen Erinnerungen nach, denn die Geister der Vergangenheit spukten durch ihre Köpfe und ließen längst vergessene Ereignisse wieder lebendig werden. Gedanken, die sie früher einmal gehabt hatten, verbanden sich und zeigten andere Zusammenhänge auf, zu neu, um sie zu übersehen. Und so brachte schließlich Ransome unvermeidlich das Thema zur Sprache, das sie den ganzen Abend über sorgfältig vermieden hatten.
»Es gibt ein paar sehr merkwürdige Gerüchte über Jai Raventhorne. Vielleicht hast du sie schon gehört.«
»Nein. Ich kümmere mich nicht mehr um geschäftliche Angelegenheiten.« Aber dann konnte sie die Frage doch nicht unterdrücken.
»Was sind das für Gerüchte?«
»Man sagt, er zieht sich aus Kalkutta zurück.«
Olivia goß gerade den Kaffee ein, aber plötzlich verharrte ihre Hand.
»Er zieht sich zurück?«
»Ja. Es heißt, er will Ranjan Moitra Trident übergeben.« Ransome nahm die angebotene Tasse und sah sie durchdringend an. »Man ist allgemein der Ansicht, er sei nicht in der Lage, die Demütigung durch … Farrowsham zu ertragen. Er hat sein Gesicht verloren und kann sich in der Geschäftswelt nicht mehr sehen lassen.«
Olivia stand mit einer heftigen Bewegung auf und griff nach der Schere, mit der sie die Rosenstiele geschnitten hatte. »Und du glaubst das auch?«
»Nein.« Ransomes Blick wurde noch durchdringender. »Jai ist vielleicht ein schlechter Verlierer, aber er kümmert sich nicht im geringsten um die öffentliche Meinung. Gelegentlich ist er töricht sentimental gewesen, aber er ist kein Schwächling. Ein Rückschlag könnte ihn nicht dazu bringen, daß er alles aufgibt, worum er viele Jahre gekämpft hat. Es gibt auch eine andere Erklärung für seinen überraschenden Entschluß.« Seine Augen durchbohrten sie. »Von Estelle habe ich von dieser … erstaunlichen Entführung deines Sohnes gehört. Könnte es vielleicht damit etwas zu tun haben?«
Olivia gelang es erfolgreich, überrascht zu wirken. »Nein, natürlich nicht. Warum sollte es?«
»Ja, warum sollte es?« wiederholte er. »Ich hoffte, du könntest mir diese Frage beantworten. Es war ein Verbrechen, ganz gleich, was ihn dazu getrieben haben mag. Ich muß sagen, ich war entsetzt, mehr als entsetzt darüber, daß Jai sich in
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