Wer Mit Schuld Beladen Ist
eingetragen.«
»Versicherungen?«
»Nur … nur …« Er schien unfähig, die Worte zu finden. Seine Hände zeichneten ein kleines Rechteck.
»Beerdigungskosten?« Kevin Flynn klang so zögernd, dass Mark einen Augenblick nicht sicher war, ob er den jüngeren Mann wirklich gehört hatte. Der Chief nickte.
»Kein finanzieller Gewinn«, sagte Lyle, während er die Wörter auf der Tafel notierte. »Aber« – er schrieb RUSS VAN ALSTYNE an die Tafel – »das Opfer war mit einem Polizisten verheiratet.« Direkt neben Russ’ Namen setzte er 20+. »Einem Polizisten, der unsere Dienststelle seit fast sieben Jahren leitet. Und davor zwanzig Jahre bei der Militärpolizei war.«
»Zweiundzwanzig«, korrigierte der Chief automatisch.
»Tatsache«, sagte MacAuley, »der Täter wusste entweder, dass Mrs. Van Alstyne allein zu Hause war, oder er wusste nicht, dass der Chief fort war und erwartete, ihn am Sonntag zu Hause anzutreffen.«
Mark sah, wie die Übrigen zustimmend nickten.
»Tatsache. Nimmt man beide Van Alstynes, hegten wesentlich mehr schlimme Jungs einen Groll gegen den Chief als gegen seine Frau.«
»Nachdem er dreißig Jahre damit verbracht hat, sie einzubuchten? Klar«, warf McCrea ein.
»Theorie. Linda Van Alstyne war nicht das Ziel dieses Mordes. Sie diente nur, entweder unbeabsichtigt oder zufällig, als Ersatz für ihren Mann.« MacAuley unterstrich zweimal dick den Namen des Chiefs. »Mit anderen Worten, das beabsichtigte Opfer ist nicht Linda. Es ist der Chief.«
9
R uss Van Alstyne liebte sein Haus. Nach einem Leben in Militäranlagen und Mietwohnungen hatte er die Freuden und Verdrießlichkeiten, ein Haus zu besitzen, begrüßt wie ein Fanatiker einen fordernden Gott. Er restaurierte die Tischlerarbeiten der Küche, bis sie wieder ihren Originalzustand aus dem Zweiten Weltkrieg hatte. Er verwandelte den begehbaren Dachboden in einen Arbeitsraum mit allen Annehmlichkeiten der Moderne. Er verstärkte den absackenden Scheunenboden, so dass sie als Garage genutzt werden konnte. Er strich das Haus, die Schindeln, Rahmen und Fensterläden, eine Seite pro Sommer.
Jetzt saß er in seinem Truck, der in seiner Zufahrt stand, und betrachtete sein Haus. Hatte Angst, auszusteigen, Angst, sich zu übergeben, sobald er über die Schwelle trat.
»Eine Putztruppe war schon drin.« Lyle saß auf dem Fahrersitz und wartete darauf, dass Russ sich zusammenriss. Er hatte Russ auf dem Revierparkplatz entdeckt, wo er mit seinen Schlüsseln herumfummelte, und ihn grob zur Seite geschoben. »Schieb rüber«, hatte er gesagt. »Du kannst in dem Zustand nicht fahren.« Jetzt fuhr er fort: »Nachdem die Spurensicherung gestern Abend fertig war. Die Küche ist sauber.«
»Das ging schnell.« In Albany gab es ein Unternehmen, das die Säuberung von Tatorten und biologischen Verunreinigungen anbot, aber normalerweise dauerte es ein paar Tage, bis sie fertig waren.
»Ich habe ein paar Drähte gezogen.«
»Oh.«
Schweigen.
»Russ, früher oder später musst du da rein. Und wenn du willst, dass die Ermittlung vorankommt, sollte es lieber früher sein.«
»Ich weiß. Es ist nur …«
»Ich weiß.« Lyle nickte. »Hör mal, wie wär’s, wenn wir den Haupteingang nehmen?«
Außer im Sommer, wenn sie ihn öffneten, damit die Luft im Haus zirkulieren konnte, wurde der Haupteingang nicht genutzt. Russ hielt sich im Winter nicht damit auf, ihn freizuschaufeln, was bedeutete, dass er und Lyle durch den angesammelten Schnee mehrerer Wochen würden waten müssen, um ihn zu erreichen. Aber er lag von der Küche aus gesehen am anderen Ende des Hauses. Tatsächlich musste er, wenn er den Haupteingang benutzte, nicht einmal einen Fuß in die Küche setzen. Über die nächsten Tage machte er sich keine Gedanken. Im Augenblick lebte er von Minute zu Minute.
»Okay. Los.«
Lyle schnappte sich einen der Männer und wies ihn an, die Doppeltür von innen zu entriegeln.
Der Schnee war genauso schlimm, wie Russ befürchtet hatte, doch die Herausforderung, einen Pfad durch die knietiefe Eis-und Schneeschicht zu treten, lenkte ihn hinreichend ab, so dass er erst merkte, dass er angekommen war, als er mit dem Stiefel gegen die erste Granitstufe stieß.
Er stapfte die Stufen hoch – zwei, dann ein rechteckiger Absatz, dann noch einmal zwei – und schüttelte unterwegs den Schnee ab. Er zog die Türen auf – ziehen, fegen, ein Tritt mit dem Stiefel gegen den Pfosten – und war drin.
Im Haus.
»Bist du okay?« Lyle drängte hinter ihm
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