Wer Mit Schuld Beladen Ist
hinein und zwang ihn, weiterzugehen, damit er die Türen hinter ihnen schließen konnte.
»Ja.« Und in gewisser Weise war er das auch. Die grauenhafte Leere der Küche wartete auf ihn, aber in dem winzigen Flur, vor sich die Treppe, die er jeden Abend auf dem Weg ins Bett emporstieg, ging es ihm gut. Nicht großartig, aber immerhin würde er sich nicht auf den Orientteppich übergeben.
»Was willst du als Erstes tun?«
Er hatte auf dem Weg hierher beschlossen, dass er methodisch vorgehen musste, wenn er die Aufgabe bewältigen wollte. Ein Schritt zur Zeit. »Das Arbeitszimmer«, sagte er. »Am Ende des Flurs oben an der Treppe.« Am weitesten von der Küche entfernt. Obwohl Lindas Raum, war es gleichzeitig das unpersönlichste Zimmer, so weit es Russ betraf. Dort machte sie die Entwürfe für ihr Innendekorationsunternehmen, schnitt zu und nähte; ein Arbeitsplatz und mehr nicht. Als er das Licht einschaltete, sah er, was er zu sehen erwartet hatte: Alle Arbeitsflächen waren leer, die Halterungen und Regale für Stoffe und Materialien waren aufgeräumt und geordnet.
Lyle zögerte an der Tür, während Russ durch das Zimmer schritt. »Sieht alles gut aus?«, fragte er.
»Um die Wahrheit zu gestehen«, sagte Russ, »wenn das Zimmer nicht gerade völlig verwüstet wäre, würde ich es nicht merken. Nachdem ich mit der Renovierung fertig war, bin ich nur noch hier drin gewesen, um sie zu fragen, ob sie ins Bett kommt.« Reue lastete wie eine schwere Kröte in seiner Brust. All die Zeit und Energie, die sie in ihr Unternehmen gesteckt hatte, und sein Interesse hatte sich darauf beschränkt, wann sie von ihren Ausflügen zur Stoffbeschaffung nach Hause kam. Warum hatte er sich nicht mehr Mühe gegeben, sich für das zu erwärmen, was sie tat? Er drehte sich zu Lyle. »Lass uns die Gästezimmer kontrollieren.«
Die beiden zusätzlichen Schlafzimmer sahen aus wie immer, üppig dekoriert und steril. Gelegentlich luden sie Paare aus ihrer Armeezeit ein, aber den größten Teil des Jahres waren sie allein. Seine engsten Beziehungen hatte er immer zu den Menschen unterhalten, mit denen er arbeitete – Beziehungen, die Linda ausschlossen, ohne dass dies beabsichtigt war. Die Arbeit hatte ihn definiert und beherrscht. Kein Wunder, dass ihre Freunde nur ihre waren, keine gemeinsamen.
»Und?«, fragte Lyle.
Er schüttelte den Kopf. Trat in den Flur. Zauderte.
»Das ist euer Schlafzimmer, oder?«
Er nickte.
»Bist du bereit?«
»Teufel, nein.« Das trug ihm ein schiefes Lächeln seines Deputy Chief ein. Himmel, Lyle sah fast so erschüttert aus, wie Russ sich fühlte. Er hatte Linda immer gemocht, er gehörte zu den wenigen Männern der Truppe, mit denen sie reden und lachen konnte. Russ war nicht der Einzige, der einen Verlust erlitten hatte. Bei weitem nicht.
Ihr Schlafzimmer wirkte herzzerreißend normal. Das Bett war ordentlich gemacht. Auf Lindas Seite lagen mehrere Hüllen von der Reinigung – sie benutzte niemals Drahtbügel. Eine Tür ihres Schranks stand offen, ein Paar Stöckelschuhe lag vor dem Ganzkörperspiegel. Er konnte sie vor sich sehen, wie sie dort stand und sich eingehend musterte. Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf und streifte sie schwungvoll ab. »Die nicht«, hatte sie vermutlich gemurmelt.
»Russ?«
Lyles Stimme riss ihn aus seinen Träumereien. Er zwang sich, über den Plüschteppich zu Lindas Frisierkommode zu gehen, in deren Schublade sie ihren Schmuck aufbewahrte.
Das Erste, was er sah, war ihr Ehering, der neben ihrem diamantenen Verlobungsring und dem mit einem Diamant und einem Saphir besetzten Eternity-Ring lag, den er ihr zu ihrem zwanzigsten Hochzeitstag geschenkt hatte. Wann hatte sie die abgelegt? Im Büro des Therapeuten hatte sie sie noch getragen.
Der Rest des Schubladeninhalts war komplett, diese Tatsache konnte er ohne weitere Suche bestätigen. Niemand, der auf leichte Beute aus war, hätte diese Ringe zurückgelassen. Er hielt einen Moment inne, indem er versuchte, ihren Geist zu vertreiben, der vor der Frisierkommode saß, ihre Haut untersuchte, ihre Finger in die kleinen teuren Töpfchen tauchte, die auf der Mahagoniplatte herumstanden. Was sonst mochten Diebe möglicherweise mitnehmen?
Sein Waffensafe stand normalerweise in seinem Schrank, doch er hatte ihn zu seiner Mutter mitgenommen, als er gegangen war. Lindas Pass? Nein, der lag immer noch in ihrer Nachttischschublade – stets in Reichweite für eine schnelle Flucht, hatte sie immer gescherzt.
Lyle trat
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