Wer Mit Schuld Beladen Ist
davon?«, fragte Debbie. »Das ist privat! Hast du ihre persönliche Post gelesen?«
»Das ist ein gottverdammter Mordfall, Debbie! Am Ende dieser Geschichte wird kein einziges Detail aus Lindas Leben mehr privat sein. Mit wem hat sie sich getroffen? Sag es!«
Clare war vollkommen verwirrt.
»Ich weiß es nicht!« Zum ersten Mal klang Debbie eher defensiv als zornig.
»War es derselbe Mann, mit dem sie sich getroffen hatte, als wir damals nach Millers Kill gezogen sind?«
Clare hätte sich über die Kehrtwende freuen sollen, als Debbie keuchte und unter ihrer Sonnenbräune blass wurde, doch ihr war einfach nur schlecht. Sie litt für Russ und für Lindas Schwester und für alle, die von den ätzenden Geheimnissen verletzt werden würden, die an die Oberfläche drängten.
»Hi, Leute.« Ein leises Knarren ertönte, als die Tür zur Kirche aufschwang. »Was ist denn hier los?« Ben Beagle schlenderte mit leuchtenden Augen den Korridor entlang. »Chief Van Alstyne?«
»Wer ist das?«, knurrte Russ.
Clare widerstand dem Drang, ihre Augen zu bedecken. Das Ganze verwandelte sich allmählich in eine schlechte Boulevardkomödie. »Ben Beagle«, stellte sie vor. »Vom Post-Star. «
»Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen, Chief.« Beagle kramte sein Notizbuch aus der Tasche. »Wenn Sie einen Moment Zeit hätten, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Nein.«
Russ’ Gesichtsausdruck hätte die meisten Menschen veranlasst, hastig Deckung zu suchen.
Beagle lächelte sanft. »Was führt Sie heute Morgen nach St. Alban’s?«
Schweigen breitete sich aus. Russ’ Blick huschte zwischen seiner Schwägerin und Clare hin und her. »Ich habe Debbie gesucht«, antwortete er.
Beagles blonde Brauen wanderten nach oben. »Sie wussten, dass sie hier ist?«
»Ich bin in einer laufenden Mordermittlung hier«, erwiderte Russ. Er klang, als würde er Felsen kauen und Kiesel spucken. »Die Presse bekommt keinen Kommentar.«
»Ben.« Debbies Stimme klang dünn. »Bitte. Würden Sie uns einen kurzen Moment entschuldigen?«
»Sie wissen, dass ich mit Chief Van Alstyne reden muss, wenn ich die Geschichte Ihrer Schwester schreiben soll.«
»Das hat nichts damit zu tun. Bitte, Ben.«
Zum ersten Mal, seit Debbie sie angegriffen hatte, tat sie Clare leid. Ihre Stimme zitterte, und Clare wurde klar, dass Lindas Schwester trotz ihrer Giftigkeit und Angriffslust kurz vor dem Zusammenbruch stand.
»Okay. Wenn Sie es unbedingt wollen.« Der Reporter klappte sein Notizbuch zu. »Ich warte draußen bei den Autos.«
Debbie nickte.
Die drei beobachteten schweigend, wie Ben durch die Kirchentür verschwand. Sobald sie hinter ihm ins Schloss gefallen war, wandte sich Debbie an Russ. »Du musst das verstehen, das hat nichts bedeutet.« Sie sprach leise, drängend.
»Ach, um Himmels willen.«
»Hören Sie«, unterbrach Clare verzweifelt. »Ich sollte jetzt gehen.«
Russ erwischte sie am Ärmel. »Bleib. Bitte.«
»Du hast sie hierhergeschleift, wo sie keine Menschenseele kannte, und sie in dem muffigen alten Farmhaus allein gelassen, während du zwölf Stunden am Tag gearbeitet hast. Sie war einsam!« Debbie warf Clare einen giftigen Blick zu. »Wenigstens hat sie dir nichts von wahrer Liebe vorgeheult. Sie hat es für sich behalten und ist darüber hinweggekommen. Sie hat nie vergessen, zu wem sie gehörte.«
»Wer war es?«
»Ein Mann namens Lyle. Den Nachnamen kenne ich nicht.«
Clare starrte Russ an. O Gott, dachte sie. Nicht das. Bitte nicht das.
Russ schluckte. »Lyle«, wiederholte er. »Aus Millers Kill?«
Debbie nickte. »Sie hat ihn beim Weihnachtsempfang des Bürgermeisters kennengelernt, in eurem ersten Jahr hier.« Sie musterte Russ. »Kennst du ihn?«
Russ nickte.
Clare wollte die Augen schließen. Wie oft konnte einem jemand das Herz brechen?
»Ich weiß nicht, ob er derselbe Mann war, wegen dem sie mir in den letzten Wochen gemailt hat. Dieser Mr. Sandman. Sie war schon immer ziemlich diskret, doch nachdem du deine Bombe hattest platzen lassen, wurde sie noch zurückhaltender. Vermutlich hatte sie Angst, im Fall einer Scheidung Beweismaterial zu hinterlassen.«
»Wir wollten uns nicht scheiden lassen«, erwiderte Russ aus weiter Ferne.
Debbie sah ihn scharf an. »Ich kann nur sagen, dass er nach deiner Beichte ganz groß rauskam. Und dass sie ihn von der Arbeit kannte.«
»Arbeit?«, wiederholte Russ. »Sie hat aber nicht gesagt, von ihrer Arbeit, oder?«
»Ich … ich glaube nicht.« Debbies
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