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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Augenblick, dann schnaubte er ein halb unterdrücktes Lachen. »Du bist wirklich einmalig, weißt du das? Wenn ich verhaftet und angeklagt werde – was ich im Übrigen durchaus erwarte –, giltst du als Komplizin.«
    Sie zuckte die Schultern. »Bin ich nicht, wenn ich nicht wusste, dass du zum Verhör gesucht wirst.« Ein Bild von Willard Aberforth schob sich vor ihr inneres Auge, ganz Tränensäcke und bohrende moralische Fragen. Offene Worte sind genau das, was Sie im Augenblick brauchen. »Das nehme ich zurück«, sagte sie. »Ich werde nicht lügen. Aber es ist doch nicht so, als würde ich dich schützen. Ich biete an, bei der Suche nach demjenigen zu helfen, der diese grauenhafte Tat begangen hat.«
    »Was, wenn ich es war?« Sein Ton war distanziert, als spräche er über einen anderen.
    »Das hättest du nicht gekonnt.«
    »Was, wenn ich es tat?«
    »Du wärst nicht fähig …«
    »Clare, wenn ich eines in meinen fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei gelernt habe, dann, dass absolut jeder zu allem fähig ist, wenn er nur weit genug getrieben wird. Was, wenn ich es war, und jetzt einfach nur herumrenne und versuche, meinen Arsch zu retten?«
    »Warum fragst du mich das?«
    Plötzlich schnellte er im Stuhl nach vorn, dass die Federn krachten, und beugte sich zu ihr hinüber. »Ich will wissen, was du nicht für mich tun würdest.«
    Sie starrte ihm in die Augen, blaues Emaille. So nah waren sie einander nicht mehr gekommen, seit … sie verdrängte den Gedanken. Warum auch immer, Russ nahm diese Frage todernst. Nicht, was sie für ihn, sondern was sie nicht für ihn tun würde.
    »Für dich würde ich niemals Gott leugnen«, sagte sie langsam. »Für dich würde ich mein Land nicht verraten. Ich würde für dich niemals das Vertrauen eines Gemeindemitglieds missbrauchen.« Ohne bewusste Absicht schlang sie ihre Hand um seine, zog sie zurück. »Ich würde dich nicht entkommen lassen, wenn ich wüsste, dass du etwas Falsches getan hast.«
    »Ich tue etwas Falsches. Ich entziehe mich dem Verhör durch eine Ermittlerin der Polizei des Staates New York.«
    Sie verzog das Gesicht. »Das ist ein Verstoß gegen die Regeln. Ich meinte schlecht. Sündhaft. Wie anderen Schaden zuzufügen, deiner eigenen Seele Schaden zuzufügen.«
    Der Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte. Sein Blick wurde trüb. »Dafür ist es zu spät.«
    »Nein«, erwiderte sie bestimmt. »Für Erlösung ist es nie zu spät.«
    »Ich werde es an Linda nie wiedergutmachen können. Sie ist fort. Es kommt nicht mehr darauf an, was ich tue, was ich sage, wie sehr ich es bedaure. Sie ist fort.«
    »Das glaube ich nicht. Und selbst wenn ich das glauben würde, wenn der Tod des Körpers das Ende von allem bedeutete, bist du doch am Leben. Und solange wir leben, ist es nie zu spät, um Vergebung zu bitten, die ungenutzten Chancen und die falschen Entscheidungen zu bereuen und es in Zukunft besser zu machen.«
    »Wen soll ich denn um Vergebung bitten, Clare? Wen? Dich? Linda? Deinen Gott?«
    »Versuche, dir diese Frage selbst zu beantworten.«
    »Christus.« Er schloss die Augen, schüttelte den Kopf. Seine Wimpern waren nass. »Ich verdiene das nicht.«
    »Oh, Russ.« Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Gott sei Dank erhält keiner von uns das, was er verdient. Wir bekommen, was gegeben wird. Liebe. Mitgefühl. Eine zweite Chance. Und dann eine dritte, eine vierte.«
    Er nahm die Brille ab und wischte sich über die Augen. »Wie, zum Teufel, kannst du dir dessen so verdammt sicher sein? Wie kannst du hier sitzen und so gottverdammt gelassen sein?«
    Sie lachte, ein heiseres Keuchen. »Gelassen? Ich? Glaubst du, dass ich wegen dem, was ich eurer Ehe angetan habe, nicht mit Schuldgefühlen beladen herumlaufe? Ich kann mich kaum im Spiegel ansehen.«
    Er setzte sich auf. »Du? Du hast überhaupt nichts getan. Ich war derjenige, der verheiratet war. Ich hätte, ach, ich weiß auch nicht, besser aufpassen müssen.«
    Sie beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Dann vergibst du mir?«
    »Was denn? Dass du die Person bist, in die ich mich gegen meinen Willen verliebt habe?« Sein Lachen klang nicht besser als ihres. »Ja. Was es auch wert sein mag, ich vergebe dir.«
    Bei seinen Worten erfüllte sie eine Art Kraft, ein Augenblick seltener Gewissheit, dass das Göttliche direkt hier war, mit ihr, in ihr. Sie erhob sich. »Was gibt dir das Recht, mir die Sünden zu vergeben, die ich an Linda begangen habe?« Sie neigte den Kopf zu

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