Wer Mit Schuld Beladen Ist
an.«
Er hob einen Finger an die Lippen. »Solltest du nicht zu Selbstgesprächen neigen, musst du leiser reden.«
Sie bewahrte eine kleine Sammlung CDs im Bücherregal auf, eine Art anglikanische Top Ten als Hintergrundmusik, hauptsächlich Elgar und Purcell. Sie legte eine davon in die kleine Bose-Anlage, die ihre Eltern ihr zu Weihnachten geschenkt hatten, richtete die Lautsprecher auf die Tür aus und schaltete sie ein. Die rigoros romantische Musik von Ralph Vaughan Williams erfüllte das Zimmer.
»Hast du was gefunden?« Sie zog einen der Admiralsstühle zum Schreibtisch.
»Ja. Ein paar E-Mails von einem Typ namens Oliver Grogan. Er besitzt eine Art Stoffhandel in Saratoga. Sieht aus, als ob sie sich bei einer Messe in New York kennengelernt hätten und Linda Stoffe von ihm kaufte. Jede Menge Flirterei, sowohl von ihm als auch von ihr.«
»Glaubst du, dass er der Mann ist, mit dem sie sich traf?« Sie korrigierte sich. »Möglicherweise traf.«
Er warf ihr einen Blick müder Dankbarkeit zu. »Ich werde ihn sicherlich überprüfen. Ärgerlich ist nur, dass alles in diesen Unterlagen steht, sein Name, seine Adresse, alles. Ich kann nur schwer glauben, dass sie elektronische Spuren hinterlassen hätte, wenn es wirklich jemanden gab, an dem sie auf … auf romantische Weise interessiert war. Ich meine, um Himmels willen, sie hat den Mann immer nur mit seinem Tarnnamen bezeichnet, als wäre sie Agentin oder so was.«
Clare wählte ihre Worte mit Bedacht. »Das heißt nicht, dass sie gut darin war, ihre Spuren zu verwischen.«
»O doch, das war sie. Sieben Jahre, und ich habe nie das Geringste geahnt. Verdammt noch mal, gar nichts.«
»Glaubst du wirklich … ist es möglich, dass Lyle damit zu tun hat?«
Er wies auf einen Block Papier, auf dem er sich Notizen gemacht hatte. »In den E-Mails an ihre Schwester schreibt sie nie, wer Mr. Ooooh-er-haut-mich-um in Wahrheit ist. Doch ich habe eine Zeitschiene der Treffen angelegt, die sie erwähnt.«
Jetzt sah er Clare direkt an. »Es könnte – die Zeiten würden passen – es könnte Lyle sein.«
»Das kannst du nicht wirklich glauben.«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll. MacAuley war sieben Jahre lang meine rechte Hand. Der engste Freund, den ich hatte, bis ich dich kennenlernte. Ich habe mich mit dem Stadtrat angelegt, damit man ihn zum Deputy Chief beförderte. Und jetzt finde ich heraus, dass der Scheißkerl meine Frau gebumst hat.«
»Dafür hast du nur Debbies Wort. Hast du schon daran gedacht, dass sie dir das absichtlich erzählt haben könnte? Um dich zu verletzen?«
»Sie hat es erfunden, um mir alles heimzuzahlen?«
»Ja.«
»Du hast sie gehört. Sie hat nicht auf mich eingedroschen, sie hat ihre Schwester verteidigt. Außerdem glaube ich nicht, dass sie die geringste Ahnung hat, wer Lyle ist. Abgesehen davon, dass Linda mit ihm …« Er schüttelte den Kopf, seine Halsmuskeln arbeiteten. »Ich glaube es einfach nicht«, sagte er schließlich. »Ich kann nicht glauben, dass sie eine Affäre hatte und ich nichts davon mitbekommen habe. Sie schien mir immer so« – er spreizte die Finger in der Luft –, »so durchsichtig.«
Clare öffnete den Mund zu einer tröstenden Bemerkung und klappte ihn wieder zu. Sie stellte sich vor, sie könnte seinen Schmerz sehen, spitz und brüchig, der ihn durchzog wie Risse die gefrorene Oberfläche eines Sees. In diesem Moment braucht er Klarheit, keinen Trost, ermahnte sie sich.
»Hast du sonst noch etwas entdeckt?«
Er saß noch einen Moment reglos da, dann gab er sich einen Ruck und wandte sich zum Bildschirm.
»Weitere E-Mails von ihr und ihrer Schwester. Sie war ziemlich wütend auf mich.«
»Das ist wohl kaum überraschend.«
Er seufzte. »Natürlich nicht.«
»Und sonst?«
»Nichts, was mir aufgefallen wäre. Ich habe mir ihre Internetbesuche angesehen, die Seiten, die sie mit Lesezeichen markiert hat. Jede Menge Stoffseiten, jede Menge Seiten von anderen Dekorationsfirmen. Das Einzige, was mit Mr. Sandboy zu tun haben könnte, ist eine Art regionales Schwarzes Brett – du weißt schon, jede Menge persönliche Anzeigen und Jobangebote, Ferienhäuser und Verkäufe, Haustiersitten und Schneeräumen.«
»Hat sie ein eigenes Profil angelegt?«
»Ich konnte nichts finden.«
»Vielleicht hat sie das Schwarze Brett genutzt, um Näherinnen für ihr Unternehmen zu finden.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie hat schon früher nur Näherinnen aus der Gegend eingestellt. Über
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