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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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herein. Die Steinmauern strahlten Kälte ab. Er zitterte. Was, zum Teufel, hatte den Architekten dieses Bauwerks geritten? Selbst in den 1850ern hatte man schon gewusst, dass es wirksamere Möglichkeiten der Isolierung gab als behauene Steine. Dennoch hatte man sich offenbar nicht irritieren lassen und den modernsten Stand der Technologie des elften Jahrhunderts eingesetzt. Er schauderte bei dem Gedanken, wie man diesen Anachronismus in den Tagen vor dem Einbau der Heizung beheizt hatte.
    Die Innentür öffnete sich langsam und lautlos, und er presste sich an die Mauer. »Ich bin es«, sagte Clare. Sie hatte eine gefaltete Papiertüte unter dem Arm und hielt einen uralten, karierten Mantel in der Hand, der wirkte, als hätte er bereits als Vorleger gedient. In einer Werkstatt. Eine schmierige Kappe mit Ohrenklappen vervollständigte das Ensemble. »Die gehören unserem Küster.«
    »Um Himmels willen, gib dem Mann eine Gehaltserhöhung, damit er sich was Anständiges leisten kann.«
    Sie warf ihm den Mantel zu. »Den trägt er bei Schmutzarbeiten. Heute hat er frei, da wird er ihn kaum vermissen.«
    »Was du nicht sagst.« Russ streifte seinen Dienstparka ab und schlüpfte in den Mantel. Er stank nach Zigarettenqualm.
    Clare faltete den Parka zusammen und verstaute ihn in der Papiertüte. »Hier. Setz auch die Mütze auf.«
    Er drehte sie um und schaute hinein. »Ich hol mir doch keine Läuse, oder?«
    »Mr. Hadley ist ein sehr netter Mann.«
    »Ich laufe nur einen halben Block die Straße hinunter. Das ist wirklich nicht notwendig.«
    »Sagte der Mann, der hinter der Garage der Zugvögel parkt. Du bist nicht gerade unauffällig, weißt du.«
    Er grunzte, setzte die eklige Mütze aber auf.
    Draußen schob der gleiche Wind, der die massiven grauen, schneebeladenen Wolken über den Himmel jagte, sie von hinten an und gab ihnen so guten Grund, die Köpfe zu senken und ihre Gesichter in den Schals zu vergraben. Der Bürgersteig vor St. Alban’s war geräumt, doch entlang der Church Street und die Elm hinauf waren sie vereist. Russ streckte instinktiv den Arm nach Clare aus, um sie festzuhalten und zu stützen, doch sie entzog sich seinem Griff. »Mr. Hadley würde mich nicht anrühren«, mahnte sie fast unhörbar im Seufzen des Windes.
    Er war nicht sicher, ob man ihn für den Hüter der Kirche halten würde, trotz Mantel und Mütze. »Ist Hadley nicht ungefähr einen halben Kopf kleiner als ich?«
    »Zieh den Kopf weiter ein«, empfahl sie.
    Er war nicht sonderlich besorgt – zumindest noch nicht. Das Department hatte an diesem Morgen nicht genug Leute, um effektiv nach ihm zu suchen und gleichzeitig die Ermittlungen weiterzuführen. Er würde erst in dem Moment wirklich in Schwierigkeiten geraten, in dem Jensen beschloss, dass sie genug Beweise hatte, um ihn vom wichtigen Zeugen zum Verdächtigen zu befördern. Er fragte sich, wie lange sie brauchen würde, um einen Haftbefehl von Richter Ryswick zu bekommen.
    Russ hatte den alten Kauz in den vergangenen sieben Jahren so häufig mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden belästigt, dass er schnell reagierte. Sobald Jensen den Haftbefehl hatte, würde jeder Polizist, Sheriff und Trooper zwischen Plattsburgh und Albany nach ihm Ausschau halten.
    Sie hatten die Einfahrt des Pfarrhauses erreicht. »Ich melde mich, sobald ich etwas herausgefunden habe«, sagte Clare und reichte ihm die Tüte mit dem Parka. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. »Vergiss nicht, deine Mom anzurufen.«
    Er nickte und zwang sich, weiterzulaufen, statt stehenzubleiben und ihr nachzuschauen.
    Er holte den Kombi aus dem Versteck. Er achtete sorgfältig auf die richtige Bezeichnung, vermied die Worte »Lindas Wagen« und war dankbarer, als man in Worte fassen konnte, dass sie eine äußerst ordentliche Person gewesen war, die ihr Fahrzeug niemals als rollenden Schrank benutzt hatte. Es gab nichts, das ihn heimsuchte, keine Kaffeebecher oder Schuhe oder überfällige Leihbücher, die die Geschichte der Frau erzählten, die bis vor wenigen Tagen dieses Auto gefahren hatte. Nur zwei Fünfzig-Pfund-Säcke Katzenstreu auf der Ladefläche – als Gewicht und für die Bodenhaftung, nicht für die Katze, die sie sich angeschafft hatte, sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte – und die Notausrüstung, die er ihr jeden Winter zusammenstellte: Thermodecke und Leuchtraketen, Klappspaten und Studentenfutter, Batterie und Handyakku.
    Er legte Mr. Hadleys stinkende Klamotten auf den

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