Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
senkte die Stimme, als wäre der Deal nicht ganz sauber. Nur für sie beide bestimmt. Eine Tonlage, die Grätz kannte. Weil er das genauso machte. Oder gemacht hatte. Oder wieder machen würde. Dann nämlich, wenn er hier raus wäre und seine Talente und seinen Arbeitseifer erneut zur Höchstform zu peitschen die Gelegenheit bekäme.
»Genau, ja. Wir tauschen Sie aus. Gegen Pettigrew. Q 7. Schon mal gehört?«
»Q 7.«
»Das fränkische Drogenkartell. Wir sind dicht dran. Stehen denen schon auf den Hühneraugen. Aber es klappt nie. Sie sind unser Mann.«
»Ich?«
»Exakt. Sie. Sie sehen nämlich genauso aus wie Pettigrew.« Senkenhuber hob den Blick und musterte Grätz. Penetrant. Penetrantissimo.
»Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, mir zu sagen, wer Pettigrew ist â¦Â«
»Ãh, natürlich.«
Und Senkenhuber redete. Er redete und gestikulierte, erläuterte und fügte hinzu, fragte und gab selbst die Antwort. Die Sprechblasen verwandelten sich vor Grätzâ Blick in graue Wolken.
Auch der Raum, in dem sie hockten, war grau, wie alle Räume, in denen Grätz sich seit geraumer Zeit aufhielt. Das Fenster war staubig und vergittert, beides lieà nicht viel Licht herein, obwohl drauÃen der Sommer gleiÃte. Während Senkenhubers Sprechblasengrau gegen die Scheiben drückte, dachte Grätz daran, dass Winter wäre, wenn er hier rauskam. In einem halben Jahr. Februar. Besser als gar nicht rauskommen. So viel war klar.
Allerdings stand nun zu erwarten, dass er sogar früher die Fliege machen konnte. Sozusagen sofort. Stante pede. Er, Heinz Grätz, der Sunnyboy, der smarte Betrüger, sollte gegen einen V-Mann ausgetauscht werden. Anstelle von Will Pettigrew, dem Superdealer von Q 7, der seit zwei Jahren einsaÃ.
»Das geht doch nie gut.«
»Wie briefen Sie. In den nächsten drei Tagen lernen Sie alles über Q 7. Personal, Strukturen, Vertriebswege.«
»Grau, teurer Freund, ist alle Theorie.«
»Sie kommen schon klar. Wir werden immer ganz nah bei Ihnen sein. Technik ist alles.« Er legte ein Handy auf den Tisch.
Grätz wurde klar, dass der braun gebrannte, laute, blonde Kommissar mit dem Bauchansatz tatsächlich an seinen Plan glaubte. Das war schön für ihn. Aber nicht für Grätz.
*
Kotschi â der Name leitete sich von dem schönen fränkischen Namen Kotschenreuther ab â genoss mitunter das kulturelle Leben Erlangens. Freizeit war selten. Aber heute. Heute musste es sein. Wegen des Poetenfestes 104 . Die Leute lagerten auf Isomatten und Decken im Schlossgarten 105 , dem das Marktgrafenschloss seine Kehrseite zuwandte, Picknickkörbe und Weinflaschen neben sich. Sie lauschten den Dichtern und Poetry-Slammerinnen, und Kotschi fand, es war eine amüsante, saubere Welt. Nur unecht. Ganz anders als das Universum, in dem Kotschi zu Hause war. Aber Erlangen hatte eben etwas. Etwas Freiheitliches, etwas, das Kotschi im normalen Arbeitsalltag unbedingt zu verteidigen trachtete. Spielraum. Lebensraum. Freiheit.
Erlangen â neuer Lebensraum der verfolgten Hugenotten, die zum Dank für die rettende Aufnahme neue Wirtschaftszweige erschlossen und ihre Stadt von Grund auf verändert hatten. Da bestand eine gewisse Ãhnlichkeit mit Q 7. Das Kartell gab Neuankömmlingen eine Chance. Verändern, da musste Kotschi grinsen, lieà es sich allerdings nicht. Im Gegenteil, man baute auf Bewährtes; insofern bedeutete es nicht nur einen Sieg gegen Senkenhuber, dass Pettigrew in wenigen Tagen frei sein würde. Dem aufgeflogenen V-Mann hingegen konnte man nur wünschen, dass er einige Jahre eingebuchtet wurde, bis die schlimmsten Erinnerungen an ihn verraucht waren. Allerdings achtete Kotschi darauf, dass es keine privaten Racheaktionen von Kartellmitgliedern gab. Revanche war Sache des Chefs.Â
Die Sonne strahlte von einem blauen Himmel, die Bäume im Schlossgarten säuselten leise im sanften Wind, der die Wörter der Dichter und Slammer verwirbelte und zu einem neuen Cocktail mixte, einem berauschenden Drink, fand Kotschi. Die Pflichten durften an einem solchen Tag für ein paar Stunden ruhen. Eine einzige Wolke trieb über Erlangen. Wahrhaftig nur eine einzige.
*
Grätz näselte gekonnt. Er war ein Meister im Nachahmen von Dialekten, da sollte so ein britischer Akzent, noch dazu ein zarter, kein Problem sein.
Der
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