Wer morgens lacht
zu, ich sah immer noch die roten Flammen auf meiner toten Omi.
Zu Hause führte Friedel mich die Treppe hinauf, zog mir das Kleid und die roten Schuhe aus und half mir in den Schlafanzug. Dann saß sie lange an meinem Bett und streichelte meine Hände, wie Omi das manchmal getan hatte, wenn ich krank war. Plötzlich wurde ich wütend, Friedel sollte mich nicht anfassen, nicht jetzt, meine Haut erinnerte sich noch an Omis Berührung, diese Erinnerung durfte sie nicht einfach wegwischen, ich wollte sie nicht verlieren. Ich zog meine Hände weg, drehte mich zur Wand und beschloss, dass mich nie wieder jemand weinen sehen würde.
Von den Tagen danach weiß ich so gut wie nichts mehr, bis meine Mutter beim Frühstück sagte, wir sollten uns etwas von Omis Sachen zur Erinnerung aussuchen, bevor sie das Zimmer ausräumte.
Damit hatte der Kampf zwischen Marie und mir angefangen. Könnte sein.
Acht
An ihrem Geburtstag hat sie es getan, an ihrem sechzehnten Geburtstag. Gut in Szene gesetzt, habe ich später gedacht, aber das konnte Marie ja schon immer, sich zum richtigen Zeitpunkt vor dem richtigen Publikum in Szene setzen. Ich habe so oft über diesen Tag nachgedacht, dass ich mich genau an ihn erinnere, zumindest bilde ich mir das ein, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Schließlich ist es zehn Jahre her, und knapp zwei Jahre später ist dann das passiert, was unsere private Familienzeitrechnung in Vorher und Nachher umgekrempelt hat, für uns jedenfalls folgenschwerer als die Einführung des gregorianischen Kalenders im sechzehnten Jahrhundert, und das, was dann mit uns passierte, hat mich möglicherweise dazu gebracht, das eine oder andere nachträglich anders zu sehen und anders zu gewichten.
Aber erst mal zu ihrem sechzehnten Geburtstag. Es fing damit an, dass Marie sich einen Roller und das Geld für den Führerschein gewünscht hatte, na ja, gewünscht, sie hatte, wie es ihre Art war, mitgeteilt, was sie erwartete, ich kann mich nicht erinnern, dass sie je um etwas gebeten hätte. Als sie ihren Willen kundtat, saßen wir in der Küche beim Abendessen, Bratwurst und Kartoffelsalat, der Geruch nach fettiger Wurst hing in der Luft und hinter dem Fenster ging die Sonne unter und färbte den Himmel rot. Ich will einen Roller, sagte Marie, einen Roller und Geld für den Führerschein.
Erstaunlicherweise wehrten sich unsere Eltern, du spinnst wohl, sagte unsere Mutter, das können wir uns nicht leisten, und unser Vater sagte, außerdem ist es auch zu gefährlich, sollen wir etwa unser Geld dafür ausgeben, damit wir dann hinterher Angst um dich haben müssen? Und wenn was passiert, machen wir uns unser Leben lang Vorwürfe, denk doch an Thomas, oder hast du ihn schon vergessen?
Das war kein Roller, sagte Marie, das war ein Motorrad, und Thomas war selbst schuld, wenn man betrunken ist, fährt man nicht mehr mit dem Motorrad heim, da lässt man es stehen. Außerdem, wenn einer mal eine Dummheit macht, müssen nicht alle die gleiche Dummheit machen.
Eine Dummheit, sagte mein Vater so wütend, wie ich ihn selten gesehen hatte, eine Dummheit nennst du das? Er hat nicht nur sich selbst umgebracht, er hat auch seine Eltern umgebracht, guck dir die Schreibers doch mal an, was in diesem Jahr aus ihnen geworden ist. Sie hören nicht auf, sich Vorwürfe zu machen, und reden immer nur davon, was wäre, wenn sie ihm kein Motorrad gekauft hätten, er war doch erst achtzehn, wozu hat er ein Motorrad gebraucht?
Er hatte getrunken, sagte Marie, er hatte zu viel getrunken und ist betrunken gefahren.
Nein, kommt überhaupt nicht infrage, sagte unsere Mutter in einem Ton, der deutlich machte, dass die Sache entschieden war, dem Ton, den ich immer gehasst habe, keine Widerrede, Schluss, aus, basta, und wenn du dich auf den Kopf stellst, es nützt dir nichts, wenn ich einmal Nein gesagt habe, bleibt es bei Nein. Es war ein Ton, bei dem ich mich nur noch ducken konnte, ja, Mama, ist schon gut, Mama, wie du willst, Mama. Bei mir hat der Ton immer funktioniert, anders als bei Marie, die hat angefangen zu schreien oder sie hat unsere Mutter einfach stehen gelassen und ist weggegangen, ich habe mich das nie getraut. Bei Marie hat unsere Mutter diesen Ton aber auch selten angeschlagen, ich erinnere mich nur an die Sache mit dem Roller, sonst hat Marie immer bekommen, was sie wollte, ohne dass sie kämpfen musste, sie erreichte alles durch ihre Sturheit.
Marie reagierte auch diesmal, wie man es hätte erwarten können, sie zuckte mit den
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