Wer morgens lacht
sie zwölf war, und es half mir gar nichts, dass ich einwandte, damals gab es ja noch keine. Ich hatte erst kürzlich mein erstes Handy bekommen, das alte von meiner Mutter, ein Kartenhandy, weil sie sich ein neues zugelegt hatte. Nun, da sie über einen MP3-Player für Marie sprachen, dachte ich, die kriegt immer alles, wenn ich mir jetzt einen MP3-Player wünschen würde, hieße es bestimmt wieder, du bist zu jung, du kannst noch warten, Marie hatte ja auch keinen, als sie dreizehn war. Doch sofort wies ich mich zurecht und sagte schnell, wie Marie und ich es immer getan hatten, als wir noch kleiner waren, das ist giftgrüne Galle, sonst nichts, weg, weg, Teufelsdreck.
Ich riss mich zusammen, ich half unserer Mutter sogar am Abend vor Maries Geburtstag, einen Kuchen zu backen, einen Apfelkuchen mit Streuseln, ihr Lieblingskuchen, und ich lief noch schnell zum Blumenladen, um eine rote Rose für den Geburtstagstisch zu kaufen, es sollte doch alles schön sein, besonders schön.
Am nächsten Morgen stand ich früh auf, unsere Mutter war schon in der Küche und bereitete das festliche Frühstück vor, sie hatte sich extra einen halben Tag frei genommen und war ganz aufgeregt. Warum eigentlich, dachte ich, es ist doch nur ein Geburtstag, und Geburtstage hatten bei uns nie eine besondere Rolle gespielt, vielleicht weil es, als Omi noch lebte, immer Streit gegeben hatte, ob man Geburtstage oder Namenstage feiern sollte. Unsere Eltern kamen beide aus gut katholischen Familien, da wurden üblicherweise die Namenstage gefeiert, sie hatten sich erst später, als Erwachsene, für Geburtstage entschieden, während Omi uns stur etwas zum Namenstag schenkte und nicht bereit war, Geburtstage zu feiern. Unsere Mutter war an Maries sechzehntem Geburtstag jedenfalls aufgeregt, sie legte Scheiben von Schweizer Käse, Maries Lieblingskäse, auf eine Platte und dekorierte sie mit Radieschen und Petersilie, und unser Vater ging zum Schuppen hinter dem Haus, um das Geburtstagsgeschenk zu holen, den MP3-Player, den er unter den Hasenställen versteckt hatte. Diese Mühe hätte er sich sparen können, dachte ich, Marie würde nie im Leben heimlich nach etwas suchen, das wäre ihr viel zu aufwändig. Als er das hübsch eingewickelte Päckchen auf den Geburtstagstisch gelegt hatte, schaute er auf die Uhr und fragte, soll ich sie nicht endlich wecken?
Nein, sagte unsere Mutter, lass sie noch ein paar Minuten schlafen, schließlich hat sie Geburtstag.
Und ich stand daneben, wie ich immer daneben stand, ich stand auch noch daneben, als Marie die Treppe herunterkam. Sie gratulierten ihr, er und sie, sie wollten sie ins Wohnzimmer ziehen, sie wollten die Kerzen anzünden und Marie sollte das Geschenk auspacken, sie wollten ihre eigene Freude in ihrer spiegeln, sie waren so gierig danach, dass ich dachte, was für ein Affentheater, warum stellen sie sich so an, sie verhalten sich wie kleine Kinder an Weihnachten.
Ein Roller, fragte Marie, ist es ein Roller? Ich hörte ihr an, dass sie die Antwort schon wusste.
Etwas anderes, sagte unsere Mutter, aber es wird dir gefallen, und unser Vater sagte, das haben wir doch schon besprochen.
Marie warf ihnen nur einen abweisenden Blick zu und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Ich habe euch doch gesagt, dass ihr mir nichts zu schenken braucht, sagte sie. Sie wollte nichts essen, auch keinen Kuchen, sie wollte keine Kerzen, sie wollte kein Geschenk, sie wollte nur eine Tasse Kaffee und wieder ins Bett. Nein, sagte sie, ich gehe heute nicht in die Schule, und dann lachte sie wie über einen guten Witz, nein, zur Feier des Tages gehe ich heute nicht in die Schule, schließlich habe ich Geburtstag. Sie fing an, ein Geburtstagslied zu summen, und ging, noch immer summend, mit der Tasse Kaffee die Treppe hinauf.
Ich stand daneben und sah, wie die Freude aus den Gesichtern unserer Eltern wich, sehr langsam, nicht plötzlich und laut wie die Luft aus einem platzenden Luftballon, sondern langsam, wie die Luft aus einem alten Fahrradschlauch entweicht, ihre Gesichter wurden schlaff vor Enttäuschung, ihre Augen verloren den Glanz und wurden stumpf wie abgenutzte Glasmurmeln, das erwartungsvolle Lächeln verschwand von ihren Lippen, sie schauten einander an, hoben hilflos die Hände und ließen sie langsam wieder sinken, ohne etwas zu sagen.
Ich wollte sie nicht sehen, so enttäuscht und hilflos, ich floh zur Schule, es war sowieso höchste Zeit, ich musste mich beeilen. So war es bei uns immer, Marie zog es von
Weitere Kostenlose Bücher