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Wer morgens lacht

Wer morgens lacht

Titel: Wer morgens lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Schultern und sagte kühl, wenn ich keinen Roller bekomme, braucht ihr mir überhaupt nichts zu schenken, das Geld könnt ihr euch sparen. Damit ging sie hinaus, nahm ihr Fahrrad und verschwand für die nächsten Stunden.
    Unsere Eltern schauten ihr nach, unschlüssig, vielleicht waren sie ja selbst überrascht von ihrer ungewohnten Härte dieser Tochter gegenüber. Unser Vater schob den Teller weg, auf dem noch ein braun gebrutzelter Wurstzipfel lag, und sagte, sie wird sechzehn, es gibt Länder, da sind Frauen mit sechzehn schon verheiratet und bekommen Kinder.
    Hör doch auf mit diesem Quatsch, sagte unsere Mutter, warum sollte sie schon so früh ans Heiraten denken, sie sollte etwas lernen, das wäre gescheiter, sie könnte nach der Realschule auf die Fachoberschule gehen und doch noch Abitur machen, das ist es, was sie tun sollte. Heiraten, was für eine absurde Idee, wer kommt schon auf so etwas?
    Es war klar, gegen wen das gerichtet war, ihr verächtlicher Ton ließ keinen Zweifel daran. Unser Vater verstand es natürlich auch, er machte einen schwachen Versuch, sich zu wehren, und sagte, du hast zu viele Ansprüche, lass sie doch in Ruhe, sie lernt einfach nicht so gern.
    Wenn sie nur wollte, sagte unsere Mutter, es liegt nicht an ihrer Intelligenz.
    Ich kaute auf meinem letzten Stück Wurst herum und hielt mich raus, diese Diskussion hatte ich schon oft gehört, ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen, höchstens: Könnt ihr nicht von etwas anderem reden? Es ist doch immer dasselbe, und in zwei Tagen tut es euch leid und ihr macht einen Rückzieher, alle beide, also könntet ihr es doch gleich bleiben lassen. Aber natürlich sagte ich das nicht.
    Unsere Mutter war schon nicht mehr zu bremsen, sie legte ihr Besteck klirrend auf den Teller, wischte sich mit einem Küchenhandtuch über den Mund, wie Omi es immer getan hatte, und legte los. Sie hat keinen Willen, keinen Funken Ehrgeiz, kein Rückgrat, da kann es ja nichts werden mit der Schule, aber das hat sie von dir, wenn du damals den Kurs zu Ende gemacht hättest, hätten sie dich nicht einfach entlassen, aber dir waren ja dein Bier und dein Whiskey am Abend wichtiger als die Fortbildung, das war das Vorbild, das sie von dir bekommen hat, immer bequem, ja nicht anstrengen, immer nur das Allernötigste tun und sich ansonsten ein schönes Leben machen.
    Er wurde laut, unerträglich laut, wie er es oft tat, wenn er sich nicht anders zu helfen wusste. Was kann ich denn dafür, dass sich mit den verdammten Computern alles geändert hat, schrie er, davor habe ich doch all die Jahre gut verdient, aber dieses ganze neue Zeug habe ich einfach nicht gekonnt, dafür war ich schon zu alt. Ich stand auf und ging in mein Zimmer. Sie achteten nicht auf mich, sie antworteten noch nicht einmal, als ich ihnen eine gute Nacht wünschte, es war wie immer, wenn sie stritten, bekamen sie nichts mehr mit.
    Zwei Tage später, wieder am Küchentisch, weil bei uns alle Gespräche beim Abendessen oder danach stattfanden, die versöhnlichen ebenso wie die bösen, diskutierten sie darüber, was sie Marie schenken könnten. Vielleicht einen MP3-Player, schlug unsere Mutter vor, und unser Vater meinte, diese Dinger seien ja auch nicht gerade billig.
    Aber alle Jugendlichen sind verrückt danach, wandte unsere Mutter ein, erst neulich hat Frau Goller ihrem Leon einen zum Geburtstag gekauft und der ist schließlich erst vierzehn geworden.
    Ich saß daneben und hörte zu, entweder merkten sie nicht, dass ich noch da war, oder es war ihnen egal, ich glaube, es war ihnen egal. Ich hörte zu und dachte, ich hätte gern einen MP3-Player, ich würde überhaupt gern mal etwas Neues bekommen, egal was, aber für mich war immer nur gut, was die anderen nicht mehr brauchten, ich hatte keine Ahnung, ob es in allen Familien so war, dass die jüngeren Kinder die Sachen von ihren älteren Geschwistern erbten, bei uns war es jedenfalls so. Aber vielleicht war Marie auch nur stärker und durchsetzungsfähiger als ich, und alles wäre anders gelaufen, wenn ich den Mund aufgemacht hätte, wer kann nachträglich schon sagen, was der eigentliche Grund für etwas war, schließlich konnte es immer das eine gewesen sein oder auch das Gegenteil.
    Marie war eine der Ersten in der Nachbarschaft gewesen, die ein Handy bekommen hatte, und als sie es nach ein paar Monaten verlor, kauften sie ihr ein neues. Als ich eines wollte, hieß es, du bist noch zu jung, du kannst warten, Marie hatte doch auch keines, als

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