Wer nach den Sternen greift
nahm er ihn schon mit in Bordelle. Das weiß ich mit Sicherheit. Sein Vater dachte, dort würde er lernen, Frauen zu befriedigen. Ist das so?«
Alex schüttelte den Kopf.
»Nun, Mrs. Palmerton muss er offensichtlich gefallen, sonst hätte sie es ja nicht so lange mit ihm ausgehalten.« Als sie Alex’ überraschten Gesichtsausdruck sah, fuhr sie fort: »Oh, meine Liebe, ich bin zu einem großen Teil daran schuld, dass du unglücklich bist. Sein Vater und ich sagten ihm, er müsse heiraten und einen Erben zeugen. Dabei wussten wir beide, dass er seit Jahren eine Affäre mit Mrs. Palmerton hat, aber wir glaubten, wenn er erst einmal Frau und Kinder hätte, dann würde das aufhören. Anscheinend ist es jedoch nicht der Fall, denn er trifft sie immer noch.«
Alex schnürte es die Kehle zusammen. Ihr Mund wurde trocken, und sie schluckte. »Mrs. Palmerton?«, krächzte sie. »Und ich habe geglaubt, es läge daran, dass ich unattraktiv und nicht begehrenswert bin …«
Clarissa stand auf und eilte zu Alex, um sie in die Arme zu nehmen. »Rebecca Palmerton. Ich hätte es dir vielleicht nicht erzählen sollen, aber ich sehe doch jeden Tag, wie unglücklich du bist. Und Oliver ist nie hier.«
Alex hob Clarissa ihr tränenüberströmtes Gesicht entgegen.
»Ich bin egoistisch«, sagte Clarissa. »Ich bin so froh, dass er dich geheiratet hat, denn ich liebe und brauche dich.«
Alex griff nach Clarissas Hand. »Ich liebe dich auch.«
Clarissa traten Tränen in die Augen.
30
A ls Ben am nächsten Morgen kam, um mit Alex ins Waisenhaus zu fahren, wurde er ins Esszimmer gebeten, wo ihm Alex erklärte: »Ich werde sie bei mir behalten, bis sie ein wenig kräftiger geworden ist. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir und erzählen Sie mir, warum Frauen ihre Kinder weggeben.«
»Daran ist nichts Geheimnisvolles«, erwiderte Ben.
Alex hatte gerade ihr Frühstück später als gewöhnlich beendet, da sie zuerst das Baby gefüttert hatte. Scully war bereits weg.
Ben nahm die Einladung zum Kaffee dankend an und setzte sich. In diesem Moment erschien Clarissa.
Sie lächelte ihn an. »Das wird zu einer angenehmen Gewohnheit.«
Er musterte sie verstohlen. Eine attraktive Frau, dachte er, schlank wie eine Weide. Sie hatte ihre Haare noch nicht aufgesteckt, und sie wurden von zwei Kämmen zurückgehalten, was ihr ein mädchenhaftes Aussehen verlieh. Sie trug ein graublaues Kleid, das ihn an die Farbe der Berge im Licht des späten Nachmittags erinnerte.
»Sie erinnern mich an Indien«, sagte er, ohne nachzudenken.
»Tatsächlich?« Clarissa drehte sich zu ihm um. »An Indien?«
»Eigentlich an die Berge«, sagte er. »Wenn die Schatten sich am späten Nachmittag darauflegen.«
»Oh, das klingt hübsch«, erwiderte sie. »Die einzigen Berge, die ich kenne, sind die Alpen.«
Ben war auf einmal verlegen. »Nun ja, Ihr Kleid ist wie die Farbe der Berge um diese Tageszeit.« Dann wandte er sich an Alex und fuhr fort: »Und Sie wollen also das kleine Wurm noch ein wenig behalten.«
»Es tut mir so leid, dass sie ohne Familie aufwachsen muss. Im Waisenhaus sind so viele andere Kinder, dass sich wahrscheinlich niemand richtig um sie kümmert. Vielleicht wird sie noch nicht einmal auf den Arm genommen.«
Einen Moment lang schwiegen sie, dann wiederholte Alex ihre Bitte: »Erzählen Sie mir, warum Frauen ihre Kinder weggeben.«
»Es gibt nicht so viele Gründe. Eine Frau wird zufällig schwanger, und das Kind ruiniert ihr Leben. Sie weiß nicht, wie sie es großziehen soll. Im Allgemeinen ist sie ein Dienstmädchen und muss für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Ab und zu bekommen wir auch ein Kind von einer verheirateten Frau, die bereits mehr Kinder hat, als ihr Mann ernähren kann, weil er trinkt oder ein Tunichtgut ist. Oft werden die Frauen auch nach einer Vergewaltigung schwanger, und sie wollen die Schwangerschaft geheim halten, um ihre Arbeit nicht zu verlieren oder um sich die Chance zu erhalten, noch geheiratet zu werden.«
Alex schwieg. Ben schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie von all dem keine Ahnung gehabt hatte. Aber vielleicht hatte sie ja auch einfach nur keinen Gedanken daran verschwendet.
»Es ist ein Skandal«, warf Clarissa ein. »Dagegen müsste wirklich etwas unternommen werden.«
Ben lachte freudlos. »Wenn Sie eine Lösung finden, bekommen Sie den Nobelpreis für den Dienst am Menschen.«
»Gibt es so einen Preis?«
Ben lächelte. »Es sollte ihn zumindest
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